Mai 2025 |
250501 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die Bundesnetzagentur will nicht nur die Zahlungen für sogenannte "vermiedene Netzentgelte" endlich abschaffen (250404), sondern plant darüber hinaus eine generelle Reform der bisherigen Netzentgelt-Systematik. Mit der Rahmenfestlegung „AgNes“ werden die bisher in §§ 12-20 der Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV) dargelegten Grundsätze der Netzentgeltsystematik Strom neu geregelt. Am 12. Mai veröffentlichte die Behörde dazu ein Diskussionspapier (PDF), das die möglichen Änderungen aufzeigt und den betroffenen Branchenkreisen die Gelegenheit bieten soll, bis 30. Juni ihre Stellungnahmen dazu abzugeben.
Die Rahmenfestlegung „AgNes“ – der Kürzel steht für "Allgemeine Netzsystematik" – wurde von der neu eingerichteten "Großen Beschlusskammer Energie" der Bundesnetzagentur erlassen, die künftig für jene Bereiche zuständig ist, die seit 2005 von der Bundesregierung in der Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV) geregelt wurden. Diese Verordnung tritt zum Jahresende 2028 ersatzlos außer Kraft. Zuvor erlöschen bereits mit Ablauf dieses Jahres die Netzzugangsverordnungen für Strom und Gas sowie zum Jahresende 2027 die Anreizregulierungsverordnung und die Gasnetzentgeltverordnung. Rechtliche Grundlage ist in allen Fällen ein 2021 ergangenes Urteil des Europäischen Gerichtshofs, wonach nicht die Bundesregierung, sondern die Bundesnetzagentur für die Regelung dieser Bereiche zuständig ist (210901). Den Anstoß zu diesem Urteil gab ein Vertragsverletzungsverfahren, das die EU-Kommission 2018 gegen Deutschland einleitete, weil es die Richtlinien für den Strom- und Gasbinnenmarkt (090401) nicht ordnungsgemäß in nationales Recht umgesetzt habe (180705). Die Entscheidung des Gerichtshofs wurde im November 2023 vom Bundestag mit einer entsprechenden Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes umgesetzt (231109).
"Unser Ziel ist es, die Netzentgeltsystematik zukunftsfähig zu machen und an die Herausforderungen der Energiewende anzupassen.", erklärte dazu der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller. "Wir müssen das System reformieren, nach dem Netzentgelte erhoben werden. Erstens wird die Zahl der Nutzer immer kleiner, die in voller Höhe Entgelte zahlen – bei gleichzeitig steigenden Kosten. Wir haben zweitens keine ausreichend wirksamen Signale, wie und wo Anlagen kostengünstig betrieben werden können, um einen unnötig teuren Ausbau der Netze zu vermeiden. Drittens gibt es im System heute keine Anreize, die flexibles Verhalten belohnen, eher im Gegenteil."
Zu den geplanten Änderungen gehört die Verbreiterung der Finanzierungsbasis durch eine Beteiligung von Einspeisern an den Netzkosten. Bisher sind in Deutschland für die Stromeinspeisung keine Netzentgelte zu entrichten. Anders als im Gasfernleitungsnetz werden die Netzentgelte allein von den letztverbrauchenden Netzkunden gezahlt. Die Bundesnetzagentur will daher zum Beispiel diskutieren, ob zukünftig Netzentgelte auch von den Strom-Einspeisern erhoben werden sollten, um die Kosten auf mehr Schultern zu verteilen. Dies könnte entweder über einspeiseabhängige Entgelte oder über ein Grundnetzentgelt geschehen.
"Oberhalb der Niederspannung sind derzeit alle Netzentgeltkomponenten rein entnahmeabhängig", konstatiert die Behörde. Der Verbrauch werde so mit Entgelten belastet, obwohl er nicht der wesentliche Kostentreiber sei. Ein "zusätzlicher pauschaler Grundpreis" könne die Kosten sachgerechter reflektieren. "Auch bei Prosumern in der Niederspannung könnte eine Stärkung der schon vorhandenen Grundpreiskomponente eine adäquate Beteiligung an den Netzkosten gewährleisten", heißt es weiter. Anscheinend wird demnach ein erhöhtes Netzentgelt für solche Verbraucher erwogen, die zugleich selbst erzeugten Strom einspeisen.
Grundsätzlich überlegenswert findet die Bundesnetzagentur auch dynamische Netzentgelte, welche die Auslastung der Netze in ein zeitlich differenziertes lokales Preissignal umsetzen würden. Allerdings bedürfe es dafür zahlreicher technischer Voraussetzungen wie einer nahezu vollständigen Digitalisierung von Netz und Netznutzern. Als "einfache Vorform der Dynamisierung" nimmt sie deshalb "statische zeitvariable Netzentgelte" ins Visier und will mit ihrer Festlegung zu steuerbaren Verbrauchseinrichtungen eine praktische Umsetzungsmöglichkeit für Netzentgelte schaffen, die sich nach dem tatsächlichen Auslastungsgrad des Netzes bemessen.