März 2003

030301

ENERGIE-CHRONIK


Bundesregierung plant "Wettbewerbsbehörde" für den Energiemarkt

Die Bundesregierung will nun doch eine Art Regulierungsbehörde für den Energiemarkt einsetzen. Wie am 24. März 2003 aus Regierungskreisen bekannt wurde, haben sich Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) und Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) darauf verständigt, im kommenden Jahr eine nationale "Wettbewerbsbehörde" tätig werden zu lassen. Die rot-grüne Bundesregierung vollzieht damit eine energiepolitische Kursänderung: Bisher hatten sowohl Clement als auch sein Vorgänger Werner Müller den deutschen Sonderweg des verhandelten Netzzugangs verteidigt und die Mißbrauchsaufsicht durch das Bundeskartellamt für ausreichend gehalten. Dagegen hatten die Grünen die Verbändevereinbarungen zur Netznutzung wiederholt als unzureichend kritisiert und die Schaffung einer Regulierungsbehörde wie in den anderen EU-Staaten gefordert. Als Gegenleistung für das Zugeständnis einer Wettbewerbsbehörde akzeptieren Trittin und die Grünen die von Clement betriebene EEG-Härtefallregelung, die stromintensive Betriebe entlasten soll (030304).

Wie die SPD-Bundestagsfraktion am 25. März bestätigte, soll das Gesetz zur Einrichtung einer nationalen "Wettbewerbsbehörde" spätestens zum 1. Juli 2004 verabschiedet werden, wenn die Märkte für Strom und Gas europaweit für gewerbliche Kunden geöffnet werden (021101). Die neue Wettbewerbsbehörde solle allen Interessierten einen diskriminierungsfreien Netzzugang zu angemessenen Preisen ermöglichen, in Streitfällen als Schlichter fungieren, das "Unbundling" überwachen, einen reibungsfreien Versorgerwechsel gewährleisten und für Transparenz der Marktdaten sorgen.

Es ist noch nicht entschieden, ob die neue Wettbewerbsaufsicht für den Energiemarkt selbständig oder Teil einer bestehenden Behörde sein wird. Im zweiten Fall würde sie wohl dem Bundeskartellamt angegliedert, das sich in letzter Zeit durch sein Vorgehen gegen verschiedene Stromnetzbetreiber für eine solche Aufgabe profiliert hat (030202, 030203, 030204).

Verbändevereinbarungen werden wahrscheinlich in die neue Behörde integriert

Die Verrechtlichung der Verbändevereinbarungen im Rahmen der Energierechtsnovellierung, die ohnehin bis Ende 2003 befristet ist (030201) und durch den jüngsten Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses weiter abgeschwächt wird (030303), ist damit vor einem neuen Hintergrund zu sehen. Allerdings scheint nicht die Absicht zu bestehen, die Verbändevereinbarungen gänzlich durch behördliche Festlegungen zu ersetzen. Äußerungen aus Regierungskreisen lassen vielmehr vermuten, daß die Behörde als Genehmigungsinstanz für künftige Verbändevereinbarungen fungieren und den Druck auf die beteiligten Verbände erhöhen soll, zu EU-konformen und wettbewerbsfreundlicheren Lösungen zu gelangen. Diesen Ausweg hatte bereits die EU-Kommission aufgezeigt, als sie im März 2001 die Einrichtung von nationalen Regulierungsbehörden in sämtlichen EU-Staaten forderte (010301). Der Verband der Elektrizitätswirtschaft (VDEW) ging in einer Pressemitteilung vom 26. März davon aus, "daß der Strommarkt auch künftig auf der Grundlage der Verbändevereinbarung funktionieren wird". Bereits für Anfang April sei ein weiteres Spitzengespräch der Verbände vorgesehen. Dies sei "eindeutig ein Signal dafür, auf dem Weg des verhandelten Netzzugangs aufzubauen".

"Halbe Sache"

Die "Frankfurter Allgemeine" (26.3.), die schon im Februar für eine Regulierungsbehörde plädierte (030202), bezeichnete die jetzt vereinbarte Lösung als "halbe Sache", da sie die Macht der Verbände nicht genügend beschneide: "Das Wirtschaftsministerium setzt die Verbände nun unter Druck, ihre Vereinbarungen nachzubessern. Doch was bringt ein staatlicher Regulierer, der nur nachvollziehen darf, was ihm die Verbände vorsetzen? Nichts. An der Beschneidung der Macht der Verbände führt vermutlich - auch wegen der EU-Vorgaben - kein Weg vorbei. Eine über Verbändevereinbarungen hinausgehende gesetzliche Regelung ist notwendig geworden. Zu ihrer Durchsetzung braucht man jedoch keine neue Behörde. Personell besser ausgestattet, könnte das Bundeskartellamt diese Aufgabe erfüllen."

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