April 2005 |
050404 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die russische Gazprom und der deutsche Chemiekonzern BASF vereinbarten am 11. April 2005 die gemeinsame Erschließung und Ausbeutung des neuen Gasfelds Jushno Russkoje in Nordsibirien sowie den Bau einer Pipeline durch die Ostsee für den Erdgastransport von Rußland nach Deutschland. Die Unterzeichnung der Grundsatzvereinbarung erfolgte anläßlich der Hannover-Messe im Beisein des russischen Präsidenten Wladimir Putin und des deutschen Bundeskanzlers Gerhard Schröder durch den BASF-Vorstandsvorsitzenden Jürgen Hambrecht und Gazprom-Chef Alexej Miller. Bereits im Juli 2003 hatten Gazprom und die BASF-Tochter Wintershall das Gemeinschaftsunternehmen "Achimgaz" zur Förderung von Erdgas aus dem Achimov-Horizont des Urengoy-Feldes gegründet (030716).
Die BASF-Tochter Wintershall steigt damit in zwei Projekte ein, bei denen bisher der E.ON-Konzern als Partner von Gazprom galt. Im Juli 2004 hatten E.ON Ruhrgas und Gazprom eine entsprechende Absichtserklärung unterzeichnet (040808). Offenbar will die russische Seite die deutschen Gasversorger gegeneinander ausspielen, da sie mit dem bisherigen Verlauf der Verhandlungen unzufrieden ist und mit dem Wunsch nach einer Gazprom-Beteiligung an E.ON Ruhrgas nicht durchgedrungen ist.
Die BASF-Tochter Wintershall und Gazprom arbeiten bereits seit 1990 zusammen. 1993 gründeten sie das Vertriebsunternehmen Wingas AG, an dem bisher Wintershall mit 65 Prozent und Gazprom mit 35 Prozent beteiligt ist. Aufgrund der jetzt getroffenen Vereinbarung wird Gazprom seine Wingas-Beteiligung auf knapp fünfzig Prozent aufstocken können. Im Gegenzug erhält Wintershall fünfzig Prozent minus einer Aktie am Gasfeld Jushno Russkoje sowie 49 Prozent an dem Pipeline-Unternehmen.
Die Ruhrgas AG, die im Januar 2003 mit dem E.ON-Konzern verschmolzen wurde (030101), kooperierte ebenfalls seit langem mit Gazprom und war deren wichtigster Abnehmer in Deutschland. Die E.ON Ruhrgas AG verfügt neben einer Beteiligung von derzeit 6,5 Prozent über einen Sitz im Aufsichtsrat des russischen Staatsmonopolisten (010615, 020709). Nach Angaben von BASF-Chef Jürgen Hambrecht kann sie oder ein anderer Partner dem jetzt vereinbarten Geschäft noch beitreten. Die BASF werde dafür jedoch nur den kleineren Teil ihrer vorgesehenen Beteiligung abgeben. Außerdem müsse der neue Partner "strategisch passen und Zusatznutzen schaffen". (FAZ, 12.4.)
"Gazprom sitzt am längeren Hebel", erklärte E.ON-Chef Wulf Bernotat in einem Gespräch mit der "Frankfurter Allgemeinen" (15.4.). "Der Konzern weiß das und nutzt das, um sich strategisch wichtige Positionen zu sichern." Die Russen hätten ihre Zielsetzungen und Verhandlungspositionen in den letzten Monaten mehrfach geändert. Das jetzt mit Wintershall geplante Geschäft wäre schon im vergangenen Jahr mit seinem Unternehmen zustande gekommen, wenn Gazprom die gewünschte Beteiligung an E.ON Ruhrgas erhalten hätte. Der E.ON-Konzern werde jedoch weiterhin mit Gazprom verhandeln, wobei er fest damit rechne, eine Beteiligung von 25 Prozent am Gasfeld Jushno Russkoje übernehmen zu können. "Mit großem Erstaunen" habe er zur Kenntnis genommen, daß die BASF mitentscheiden wolle, wer als Partner mit ins Boot geholt werde. "Das kann meines Erachtens nur Gazprom entscheiden."
Neben E.ON und Wintershall verhandelt auch der RWE-Konzern über Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit Gazprom, wie der Vorstandsvorsitzende Harry Roels am 14. April auf der Hauptversammlung seines Unternehmens auf Nachfragen von Aktionären erklärte. Roels wollte dazu keine näheren Angaben machen, räumte aber ein, daß er sich eine Kooperation an der Seite der BASF vorstellen könne (FAZ, 15.4.).
Die 1894 gegründete Wintershall AG widmete sich ursprünglich der Kalisalz-Förderung (die Firmenbezeichnung entstand aus dem Namen des Mitbegründers Winter und "hall" für Salzbergwerk). Später wandelte sich das Unternehmen zum Erdöl- und Gasproduzenten. Seit 1969 ist Wintershall eine hundertprozentige Tochter des Chemiekonzerns BASF. 1990 kam als neues Geschäftsfeld der Erdgashandel dazu, womit Wintershall in direkte Konkurrenz zur marktbeherrschenden Ruhrgas trat. Der Einstieg in den Erdgashandel wurde durch langfristige Vereinbarungen mit der russischen Gazprom ermöglicht. Die 1993 von Wintershall und Gazprom gegründete Wingas verfügt inzwischen über ein eigenes, nach strategischen Gesichtspunkten ausgebautes Ferngasnetz von mehr als 1900 Kilometern Länge (siehe Karte), das freilich vom Netz der Ruhrgas mit insgesamt 10.750 Kilometern Leitungslänge (siehe Karte) weit übertroffen wird. Vorausgegangen war der "Gaskrieg" zwischen Wintershall und Ruhrgas um die Preise für die Belieferung der ostdeutschen VNG (911004), der nur vorübergehend beigelegt wurde (920218) und im Januar 1994 ein weiteres Mal aufflammte (940107), bis sich die Kontrahenten auf einen langfristigen Liefervertrag einigten (940213).