März 2008

080301

ENERGIE-CHRONIK


Haushalte sollen Strom- und Gasableser wechseln können

Alle Haushalte und sonstigen Letztverbraucher sollen künftig darüber entscheiden können, wer ihre Meßeinrichtungen für den Strom- und Gasverbrauch betreibt und abliest. Dies sieht ein Gesetzentwurf zur Liberalisierung des Meßwesens bei Strom und Gas vor, über den der Bundestag am 6. März in Erster Lesung beriet.

Die Bundesregierung möchte mit dem Gesetz erreichen, daß binnen sechs Jahren eine neue Generation elektronischer Zähler, die auch "lastvariable Tarife" ermöglicht, über einen Wettbewerb der einschlägigen Anbieter möglichst flächendeckend zum Einsatz kommt. Sie verspricht sich davon eine Steigerung der Energieeffizienz. Mit dieser Begründung hat sie die völlige Liberalisierung des Meßwesens bei Strom und Gas auch in die 14 Gesetzesvorhaben zum Klimaschutz aufgenommen (071204). Zugleich soll damit die EU-Richtlinie zur Verbesserung der Energieeffizienz und zur Förderung des Marktes für Energiedienstleistungen vom März 2006 umgesetzt werden (060306).

Für die Verbraucher wird es nicht einfacher, sondern komplizierter und aufwendiger

Bisher wird der Stromverbrauch von Haushalten und anderen Kleinverbrauchern mit Wirbelstrom-Zählern gemessen, die lediglich den Verbrauch in Kilowattstunden erfassen. Allenfalls gibt es Zweitarif-Zähler, um beispielsweise den tagsüber und nachts verbrauchten Strom nach unterschiedlichen Tarifen berechnen zu können. Im übrigen ist es aber gleichgültig, welche Leistung der Verbraucher zu einem bestimmten Zeitpunkt bezieht. Entscheidend ist der Gesamtverbrauch, der jährlich durch Zählerablesung neu ermittelt und mit entsprechenden monatlichen Abschlagszahlungen berechnet wird. Eine Leistungsbegrenzung erfolgt nur über die in den Haushaltsstromkreisen eingebauten Sicherungen.

Die neuen elektronischen Zähler ermöglichen dagegen eine flexiblere Tarifgestaltung und im Prinzip sogar eine viertelstündliche Leistungsmessung, wie sie bisher nur bei Großverbrauchern ab 100.000 Kilowattstunden jährlich üblich ist. Dies wäre sicher für manchen Stromanbieter von Vorteil. Ob auch die Verbraucher davon profitieren, bleibt abzuwarten. Zumindest wäre es für die Verbraucher mit erheblichem Aufwand und Unannehmlichkeiten verbunden, ihren Stromverbrauch wechselnden Tarifen anzupassen, um die Stromrechnung zu optimieren. Nichtsdestoweniger werden die neuen Zählertechniken gerade den Verbrauchern mit dem Argument angedient, sie könnten künftig ihre Energiekosten besser kontrollieren, wenn sie den aktuellen Strom- oder Gasverbrauch auf dem Bildschirm des häuslichen Computers verfolgen.

Zum Wechsel berechtigt sind künftig alle "Anschlußnutzer"

Nach § 21 b Abs. 2 des Energiewirtschaftsgesetzes können schon bisher Meßeinrichtungen von Dritten betrieben werden. Die Ablesung der Daten obliegt aber weiterhin dem Netzbetreiber. Außerdem sind nur "Anschlußnehmer" bzw. Hauseigentümer berechtigt, einen Wechsel des Meßstellenbetreibers zu veranlassen. Bloße "Anschlußnutzer" bzw. Mieter können dies nicht. Diese Rechtslage ist auch der Grund, weshalb die Pilotprojekte mit "innovativen Zählern", die bisher von Yello (071012), Vattenfall (071113) und RWE (080214) gestartet wurden, sich auf Haus- und Wohnungseigentümer beschränken.

Der jetzige Gesetzentwurf berechtigt dagegen alle "Anschlußnutzer" bzw. Letztverbraucher, sowohl den "Meßstellenbetrieb" (Einbau, Betrieb und Wartung von Meßeinrichtungen) als auch die "Messung" (Ab- und Auslesung der Daten sowie deren Weitergabe) einem Dritten zu übertragen. Eine Aufteilung der Kompetenzen auf "Anschlußnehmer" und "Anschlußnutzer", wie sie bisher § 21 b Abs. 3 EnWG im Wege einer noch zu erlassenden Rechtsverordnung vorsieht, hält die Bundesregierung nicht mehr für sachgerecht. Sie stützt sich dabei auf den "Evaluierungsbericht" zum neuen Energiewirtschaftsgesetz, den sie am 26. September 2007 vorlegte (und gemäß § 112 EnWG eigentlich schon zum 1. Juli 2007 hätte vorlegen müssen).

Kosten für Betrieb und Ablesung der Zähler müssen gesondert ausgewiesen werden

Dem Energiewirtschaftsgesetz wird ferner ein neuer Paragraph 40 eingefügt, der Energieversorger verpflichtet, die Netzentgelte sowie darin enthaltene Entgelte für Betrieb und Ablesung von Meßstellen gesondert auszuweisen. Die Einzelheiten der Anforderungen an Geräte und Betreiber werden durch eine Rechtsverordnung geregelt, die unter anderem auch die Zuständigkeiten der Bundesnetzagentur für den Bereich des Meßwesens festlegt.

Hauseigentümer fühlen sich benachteiligt - VKU begrüßt Verzicht auf gesetzlichen Zwang

Die "Bundesvereinigung Spitzenverbände der Immobilienwirtschaft" hat den Gesetzentwurf abgelehnt, weil er "insbesondere in größeren Objekten durch das Auswechseln von Einzelzählern bei jedem Mieterwechsel zu einem erhöhten Auftreten von Verschleißerscheinungen und unzumutbaren Verwaltungsaufwand führen" könne. Die Wahl des Meßstellenbetreibers müsse den Hauseigentümern überlassen bleiben. Im Gesetzentwurf müsse deshalb der Begriff "Anschlußnutzer" durch "Anschlußnehmer" ersetzt werden.

Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) begrüßte es, daß der Gesetzentwurf davon absieht, den Einbau sogenannter intelligenter Zähler zur Pflicht zu machen. Wer seinen Energieverbrauch besser kontrollieren wolle, könne dies heute schon mit dem zur Verfügung stehenden Instrumentarium tun.

Bundestag sieht nur Vorteile für Verbraucher

Im Bundestag wurde der Gesetzentwurf am 6. März zusammen mit der Neufassung des KWK-Gesetzes (080302) in erster Lesung beraten. Für die FDP monierte Gudrun Kopp den Zeitrahmen von sechs Jahren, den sich die Bundesregierung für die völlige Öffnung des Meßwesens gesetzt hat. Damit könnten zunächst nur Gewerbe und Industrie von den neuen Zählern profitieren. Um die Öffnung des Meßwesens zu beschleunigen, verlangte die FDP in einem Antrag die unverzügliche Vorlage der "Meßzugangsverordnung" sowie eine umfassende Delegation technischer und sonstiger Vorgaben auf die Regulierungsbehörden. Keinesfalls dürfe abgewartet werden, bis sich die rund 900 Netzbetreiber auf technische Standards geeinigt haben.

Ansonsten gab es keine Kritik an dem Gesetzentwurf. Soweit sich die Redner überhaupt dazu äußerten, waren es die üblichen Ausführungen über höhere Energieeffizienz und Einsparmöglichkeiten, die durch die neuen Zähler möglich würden. Beispielsweise sagte Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU):"Mithilfe sogenannter intelligenter Zähler wollen wir den Strom- und Gaskunden die Möglichkeit eröffnen, ihren Energieverbrauch selbst bedarfsgerecht und kostenoptimal zu steuern." Für Joachim Pfeiffer (CDU) erhält durch die neuen Zähler "der Verbraucher die Hoheit über seinen Stromverbrauch". Klaus Barthel (SPD) freute sich, "daß wir dann zu Hause am Stromzähler oder am PC sehen können, wenn wir stromfressende Geräte betreiben, und unser Verhalten entsprechend verändern können". Und Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) hielt es aufgrund der neuen Zählertechniken sogar für realistisch, "daß man einen Kuchen zwei Stunden später backt, weil nicht nur Großverbraucher, sondern auch Angehörige normaler Haushalte die jeweils aktuellen Strompreise kennen".

Bundesrat verweist auf nachteilige Folgen

Der Bundesrat gab dagegen in seiner Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf zu bedenken, daß die beabsichtigte Förderung von innovativer Zähler-Technik auch eine Kehrseite in Form von "steigenden Netzkosten und schmerzhafter Einschnitte in den Daten- und Verbraucherschutz" mit sich bringen könnte. Wörtlich heißt es in der Stellungnahme der Länderkammer:

"Innovative Zähler bedeuten, daß das Energieversorgungsunternehmen jederzeit unmittelbaren Einblick in die Verbrauchsdaten und das Verbrauchsverhalten des Kunden erhält. Dies wird gemeinhin als Eingriff in die Privatsphäre gewertet. Die digitale Fernablesung birgt zudem das Potenzial in sich, die gesetzlichen Spielregeln zur Aufrechterhaltung der Grundversorgung durch technische Innovation zu unterlaufen. Fernablesung ermöglicht immer auch Fernabsperrung. Bei der Abwägung der Verbraucherinteressen ist sorgfältig darauf zu achten, daß mit dem flächendeckenden Einsatz neuer Zählertechnologien nicht ein Instrument geschaffen wird, das vorrangig den nachvollziehbaren Interessen der Versorgungswirtschaft an einem reibungslosen und effizienten Inkasso-Geschäft dient. Im Interesse der Verbraucher darf die Einführung der elektronischen Verbrauchsmessung nicht zu hohen Umrüstungskosten für Letztverbraucher führen und es darf keine Pflichtausstattung mit Geräten zur elektronischen Verbrauchsmessung geben. Der Verbraucher sollte sich auch weiterhin für eine Teilnahme am manuellen Ableseverfahren entscheiden können."

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