Februar 2012

120209

ENERGIE-CHRONIK


Südhessischer Energieversorger HSE wird hundertprozentig kommunal

Die Stadt Darmstadt wird vom E.ON-Konzern dessen 40-prozentige Beteiligung an der HSE (HEAG Südhessische Energie AG) übernehmen. Dies beschloß am 13. Februar der Aufsichtsrat der städtischen Beteiligungs-Holding HEAG, der die HSE bislang zu 53 Prozent gehört. Weitere sieben Prozent halten Landkreise und Gemeinden aus Südhessen. Durch den Erwerb des E.ON-Anteils gelangt der südhessische Energieversorger somit zu hundert Prozent in kommunalen Besitz. Mit der noch ausstehenden Zustimmung der Stadtverordnetenversammlung und anderer Gremien ist zu rechnen.

Der Kauf wird die Stadt Darmstadt 280 Millionen Euro kosten und über ein Bankenkonsortium finanziert, wobei eine städtische Bürgschaft für niedrigere Zinsen sorgt. Der Kredit hat eine Laufzeit von voraussichtlich dreißig Jahren. Er soll mit den Erträgen aus dem neu erworbenen 40-Prozent-Anteil getilgt werden, so daß sich an den Erträgen aus der bisherigen Beteiligung nichts ändern würde. Zunächst war mit E.ON ein Kaufpreis von 305 Millionen Euro vereinbart worden, der dann aber bei Nachverhandlungen gesenkt werden konnte.

Von den separat zu verkaufenden Thüga-Beteiligungen steht jetzt nur noch die Gasag an

Beim Verkauf seiner Beteiligungstochter Thüga hatte der E.ON-Konzern das HSE-Aktienpaket zusammen mit den Beteiligungen an der Berliner Gasag sowie den Stadtwerken Duisburg und Karlsruhe ausgeklammert, um sie separat zu verkaufen (090801). Mit dem Beschluß der Stadt Darmstadt gelingt ihm dies zum dritten Mal. Der Karlsruher Gemeinderat beschloß bereits im Oktober 2010, die zehnprozentige E.ON-Beteiligung an den dortigen Stadtwerken zu übernehmen. Dadurch besitzt die Stadt Karlsruhe nunmehr 80 Prozent an ihrem Versorger, während die restlichen 20 Prozent wie bisher der EnBW gehören. Im Juli 2011 übernahm auch die Stadt Duisburg die zwanzigprozentige E.ON-Beteiligung an ihren Stadtwerken und erhöhte so ihren Anteil auf 80 Prozent, während die restlichen 20 Prozent weiterhin RWE besitzt (110714). Gescheitert ist dagegen der Versuch, die E.ON-Beteiligung an der Berliner Gasag mit der dortigen Beteiligung des Vattenfall-Konzerns zu bündeln und als Mehrheitsbeteiligung zu verkaufen (100510).

HSE-Vorstand rebellierte erfolglos gegen Eigentümer

Die HSE-Hauptversammlung hatte dem geplanten Kauf des E.ON-Pakets schon im Oktober 2010 zugestimmt. Umso seltsamer wirkte es, als die zum 1. Februar neu in den HSE-Vorstand berufene Grünen-Politikerin Christine Scheel (111219) zwei Tage nach ihrem Amtsantritt erklärte, sie und ihre beiden gleichberechtigten Vorstandskollegen würden dieses Vorhaben ablehnen. "Wir sehen den Rückkauf nicht nur sehr kritisch, sondern negativ, weil er unsere Bonität am Markt schwächen und sich damit negativ auf die Finanzierung von weiteren Investitionen auswirken würde", sagte Scheel auf einer Pressekonferenz, auf der sie die Schwerpunkte ihrer künftigen Arbeit vorstellte. Die HSE brauche einen starken strategischen Partner, der das Unternehmen mit Kapital unterstütze. Außerdem könne ein rein kommunales Unternehmen nicht so unbehindert am Markt agieren wie eine Aktiengesellschaft mit gemischter Beteiligung. "Wir brauchen nicht mehr, sondern weniger politischen Einfluß", meinte die ehemalige grüne Bundestagsabgeordnete. Sie deutete sogar ihren Rücktritt von dem eben erst angetretenen Posten an, falls es zur Übernahme der E.ON-Anteile kommen sollte.

Der überraschende Vorstoß Scheels war mit den beiden anderen Vorstandsmitgliedern Holger Mayer und Andreas Niedermaier sowie den Arbeitnehmervertretern bei der HSE abgestimmt. Er lieferte nachträglich eine Erklärung dafür, weshalb sich der grüne Darmstädter Oberbürgermeister Jochen Partsch so vehement gegen die Berufung der Parteifreundin in den HSE-Vorstand gewehrt hatte. Den Namen des starken strategischen Partners, den die HSE benötige, nannte Scheel auf Nachfrage nicht, weil die Gespräche noch laufen würden. Offenbar meinte sie aber die Energie Baden-Württemberg (EnBW), die derzeit mit Unterstützung der grün geführten Stuttgarter Landesregierung ihrerseits auf der Suche nach kommunalen Partnern ist.

Der Aufsichtsrat der HEAG-Holding zeigte sich indessen von Scheels Auftritt nicht beeindruckt, sondern beschloß den Kauf der E.ON-Beteiligung wie geplant. Der HSE-Vorstand schlug daraufhin etwas versöhnlichere Töne an: "Für unsere geplanten Investitionen von über einer Milliarde Euro in erneuerbare Energieerzeugung brauchen wir einen kapital- und wissenskräftigen Partner", wiederholte er zwar in einer Erklärung vom 14. Februar. Zugleich versicherte er aber, man werde "das konstruktive Gespräch mit der Stadt und den anderen Anteilseignern weiterhin suchen".

Oberbürgermeister Partsch ließ seinerseits wissen, daß er sich die Weitergabe des nunmehr zu erwerbenden Aktienpakets an einen strategischen Partner durchaus vorstellen könne. Dieser müsse dann aber auch belastbare Angebote vorlegen, sagte er laut "Frankfurter Rundschau" (15.2.). Bei der EnBW sei dies bisher nicht der Fall. Die Übernahme des E.ON-Pakets biete ferner die Möglichkeit, weitere Kommunen aus der Region einzubinden. Zum Beispiel könnte die HSE so ins Revier des benachbarten kommunalen Stromversorgers GGEW vorstoßen, dem es vor einigen Jahren anläßlich der Neuausschreibung der Konzessionsverträge gelungen war, der HSE die Gemeinden Seeheim-Jugenheim und Lautertal abspenstig zu machen (080411).