März 2012

120307

ENERGIE-CHRONIK


Bundesregierung erneuert Kredithilfe für brasilianisches Kernkraftwerk

Trotz der Katastrophe von Fukushima und der hierzulande ausgerufenen "Energiewende" will die Bundesregierung weiterhin den Bau von Kernkraftwerken im Ausland unterstützen. In ihrer Antwort auf eine Anfrage der Grünen im Bundestag , die am 5. März bekannt wurde, bestätigte sie die Verlängerung der Hermes-Bürgschaftszusage für das brasilianische Kernkraftwerk Angra 3 (100115), deren Befristung inzwischen abgelaufen war. Sie macht die endgültige Zusage lediglich von einem Gutachten abhängig, "ob und wie die Erkenntnisse aus der Havarie von Fukushima beim Bau des Kernkraftwerkes Angra 3 berücksichtigt werden". Außerdem ist nun anstelle von 2,5 nur noch von 1,3 Milliarden Euro die Rede.

"Energiewende betrifft nur die nukleare Stromerzeugung im Inland"

Einen Widerspruch zu der von ihr verkündeten Energiewende vermag die Regierung nicht zu erkennen: "Die von der Bundesregierung beschlossene Energiewende betrifft die nukleare Stromerzeugung im Inland", heißt es in der Antwort. "Es liegt in der souveränen Entscheidung anderer Staaten, zur Ausgestaltung ihrer Energiepolitik einen anderen Energiemix zu wählen."

Ebensowenig stört es die Regierung, daß die Kredithilfe zu hundert Prozent dem französischen Atomkonzern Areva zugute kommt. Sie argumentiert vielmehr damit, daß Areva das frühere Nukleargeschäft von Siemens in Deutschland übernommen hat: "Mit Exportkreditgarantien werden deutsche Exporte und Wertschöpfung gefördert und Arbeitsplätze in Deutschland gesichert. Ob und inwieweit ausländische Beteiligungen an den exportierenden Unternehmen bestehen, ist für die Entscheidung über Exportkreditgarantien nicht relevant."

Erdrutsche und Flugzeugabstürze angeblich hinreichend berücksichtigt

Der Siemens-Reaktor entspricht im wesentlichen dem Kernkraftwerk Grafenrheinfeld, das vor dreißig Jahren in Betrieb genommen wurde. Dennoch hält ihn die Bundesregierung für keineswegs veraltet: "Nach den der Bundesregierung vorliegenden Informationen entspricht der für Angra 3 vorgesehene Reaktor dem aktuellen Stand der Technik der in Westeuropa eingesetzten Druckwasserreaktoren." Keine Erkenntnisse hat sie dagegen darüber, daß der radioaktive Müll der Reaktoren Angra 1 und 2 seit Jahren nicht weit vom Meer in Kühlbecken unter freiem Himmel lagern soll.

Die wiederholt aufgetretenen Erdrutsche am Standort Angra sind nach Ansicht der Bundesregierung in der brasilianischen Umweltgenehmigung hinreichend berücksichtigt worden. Die Auslegung gegen Flugzeugabstürze entspreche den Anforderungen der IAEO. An der Qualität der brasilianischen Atomaufsicht sei ebenfalls nicht zu zweifeln: "Brasilien ist eine gefestigte Demokratie und Mitglied der Internationalen Atomenergie-Organisation IAEO mit entsprechend aufgestellter aufsichtsrechtlicher Behörde."

Studie bezweifelt Unabhängigkeit der brasilianischen Atomaufsicht

Die Umweltorganisationen Urgewald und Greepeace stellten dagegen am 6. März die Studie eines brasilianischen Gutachters vor. Demnach kann in Angra angesichts zahlreicher Risiken die Möglichkeit eines Atomunfalls in der Größenordnung wie in Fukushima nicht ausgeschlossen werden. Brasilien verfüge außerdem über keine unabhängige Atomaufsicht: Die Nationale Kommission für Atomenergie CNEN (Comissão Nacional de Energie Nuclear) sei sowohl für die Förderung und Produktion als auch für die Kontrolle von Atomkraft zuständig.

E.ON und Areva bereiten weitere Anträge vor

Der Bundesregierung liegen noch weitere Anfragen zu Nuklear-Bürgschaften vor. Wie sie im Dezember auf Nachfrage des Grünen-Abgeordneten Kindler mitteilte, handelt es sich um die KKW-Projekte Wylfa in Großbritannien, Pyhäjoki in Finnland und Jaitapur in Indien. Darüber hinaus gibt es Anträge für Zulieferungen zu einem KKW-Neubau in China.

Bei dem Projekt in Wylfa handelt es sich um ein Gemeinschaftsunternehmen von E.ON und RWE. Da beide Konzerne soeben mitgeteilt haben, daß sie auf den KKW-Bau in Großbritannien verzichten und einen neuen Eigentümer für das Gemeinschaftsunternehmen Horizon Nuclear Power suchen (120304), hat sich diese Bürgschaftsanfrage allerdings wohl erledigt. An dem Projekt Pyhäjoki in Finnland bleibt E.ON jedoch maßgeblich beteiligt. In Jaitapur will der französische Atomkonzern Areva zunächst zwei Reaktoren bauen. Der Standort am Indischen Ozean liegt in einer Hochrisikozone für Erdbeben. Örtliche Proteste wurden mit Polizeigewalt unterdrückt. Da Indien den Atomwaffensperrvertrag nicht unterschrieben hat, wäre die Gewährung einer Hermes-Bürgschaft für Nuklearprojekte dieses Landes besonders skandalös.

Links (intern)