Juli 2013

130713

ENERGIE-CHRONIK


Hunderttausende von Gaskunden können Rückzahlungen beanspruchen

Die RWE Vertrieb AG muß 25 Gas-Sonderkunden insgesamt 16.128 Euro zurückzahlen, weil sie in deren Lieferverträgen lediglich auf die für Tarifkunden geltende Preisanpassungsklausel verwiesen hat. In einem Sonderkundenvertrag genügt das aber nicht. Hier müssen die Voraussetzungen und das Prozedere für Preisanpassungen transparent dargestellt werden, damit eine Erhöhung wirksam werden kann. So entschied am 31. Juli der Bundesgerichtshof in Karlsruhe. Er bestätigte damit vorangegangene Urteile des Landgerichts Dortmund und des Oberlandesgerichts Hamm (Az. VIII ZR 162/09).

Das Karlsruher Urteil hat weitreichende Folgen, da der größte Teil der Gaskunden mittlerweile über solche Sonderverträge verfügt und weil die Berufung auf die Preisanpassungsklausel für Tarifkunden auch bei anderen Gasvertrieben üblich war. Sofern die Jahresabrechnungen nicht älter als drei Jahre sind, können nun alle betroffenen Sondervertragskunden die erfolgten Preiserhöhungen anfechten. Die Gasversorger müssen deshalb mit Hunderttausenden von Nachforderungen rechnen.

Bei Sondervertragskunden sind Preiserhöhungen ohne Begründung unwirksam

Das Urteil war so erwartet worden, da am 21. März schon der Europäische Gerichtshof entschieden hatte, daß das für Tarifkunden geltende gesetzliche Preisanpassungsrecht nicht unverändert in Verträge mit Sonderkunden übernommen werden darf. Er war vom Bundesgerichtshof um Prüfung der Frage gebeten worden, ob eine solche Praxis mit europäischem Recht vereinbar sei. (130301)

Konkret ging es in dem seit 2006 andauernden Rechtsstreit um die frühere Preisanpassungsklausel in der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden (§ 4 Abs. 2 AVBGasV), die sinngemäß auch in die seit Ende 2006 geltenden Allgemeinen Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden übernommen wurde (§ 5 Abs. 2 GasGVV). Diese Klausel erlaubt es dem Lieferanten, die Gaspreise einseitig zu ändern, ohne den Anlaß, die Voraussetzungen oder den Umfang einer solchen Änderung mitzuteilen. Die Kunden müssen lediglich von der Änderung benachrichtigt werden und können dann den Vertrag gegebenenfalls kündigen.

Der damalige Regionalversorger RWE Westfalen-Weser-Ems (heute RWE Vertrieb AG) hatte auch in den Verträgen mit Sondertarif-Kunden auf diese Klausel Bezug genommen und wollte diese Kundengruppe insoweit wie Tarifkunden behandeln. Der Bundesgerichtshof hat indessen schon mehrfach deutlich gemacht, daß dies in den Verträgen mit Sonderkunden nicht zulässig ist, daß die "Preisanpassungen" begründet werden müssen und auch keine Einbahnstraße sein dürfen, die nur die Richtung nach oben kennt. Sogar Tarifkunden haben nach der höchstinstanzlichen Rechtsprechung bei Preiserhöhungen zumindest Anspruch auf eine Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB (081111).

"Wer Verträge mit gleichlautenden Klauseln abgeschlossen hat, kann nun ebenfalls Geld zurückverlangen", erklärte dazu die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, die im Auftrag der 25 RWE-Kunden das Urteil erstritt. Sie stellte auf ihrer Internet-Seite einen entsprechenden Musterbrief zur Verfügung und appellierte an die Versorger, für die Bearbeitung der zu erwartenden Rückzahlungs-Forderungen ein "schlankes und verbraucherfreundliches Verfahren zu etablieren".

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