Januar 2019

190106

ENERGIE-CHRONIK


 


Die beiden Hitachi-Siedewasserreaktoren am Standort Wylfa sollen eine Leistung von insgesamt 3.100 MW erbringen. Links neben dem Modell ist die alte Anlage mit den beiden Magnox-Reaktoren (jeweils 490 MW) zu sehen, die 1971 in Betrieb gingen und 2012 bzw. 2015 stillgelegt wurden. Sie werden bis auf weiteres als strahlende Ruinen in der Landschaft stehen bleiben.
Foto/Grafik: Horizon

Hitachi stoppt KKW-Projekte in Großbritannien – Toshiba zieht sich ganz zurück

Der japanische Hitachi-Konzern gab am 17. Januar bekannt, dass er den Neubau des Kernkraftwerks Wylfa auf der Insel Anglesey vor der Nordküste von Wales vorläufig auf Eis legt und bisher entstandene Aufwendungen als Verluste abschreibt. Damit wird auch der Neubau des Reaktors Oldbury, den ebenfalls Hitachi übernehmen soll, nicht weiter betrieben. Der Grund ist, dass die britische Regierung bei den bisherigen Verhandlungen keinen größeren finanziellen Eigenbeitrag zugestehen wollte. Der japanische Reaktorbauer Toshiba hat schon vor zwei Monaten angekündigt, dass er sich ganz von dem geplanten KKW-Neubau am Standort Moorside im Nordwesten Englands zurückziehen werde.

Die Reaktor-Standorte Wylfa und Oldbury hat Hitachi von E.ON und RWE übernommen

Zunächst wollten die deutschen Konzerne E.ON und RWE insgesamt vier Reaktoren an den Standorten Wylfa und Oldbury errichten, wobei sie sich noch nicht auf einen bestimmten Reaktortyp und Hersteller festlegten. Das erste Kernkraftwerk sollte bereits 2020 in Betrieb gehen (090103). Sie gründeten zu diesem Zweck ein Gemeinschaftsunternehmen, das im November 2009 unter dem Namen "Horizon Nuclear Power" die Arbeit aufnahm (091106). Nach der Katastrophe von Fukushima und wegen der daraufhin beschlossenen Energiewende in Deutschland verzichteten sie aber auf weitere KKW-Aktivitäten in Großbritannien (120304) und verkauften das Gemeinschaftsunternehmen mitsamt den Grundstücken in Wylfa und Oldbury und den bisherigen Vorarbeiten an Hitachi (121015).

Wie es in einer Pressemitteilung von Hitachi heißt, wurde die Entscheidung zum Einfrieren des KKW-Projekts "unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Rationalität von Hitachi als Privatunternehmen getroffen". Der Konzern werde nun für das Geschäftsjahr 2018, das am 31. März 2019 endet, die erfolgte Wertminderung des "Horizon Project" berücksichtigen und damit verbundene Aufwendungen in Höhe von rund 300 Milliarden Yen (2,4 Milliarden Euro) abschreiben.

Toshiba kann sich keine weiteren Verluste durch KKW-Projekte leisten

Der japanische Toshiba-Konzern hatte seinen Rückzug vom Moorside-Projekt am 8. November 2018 bekanntgegeben. Den Hintergrund bildet hier, dass Toshiba mit dem 2006 erfolgten Erwerb der Westinghouse Electric Company (061219) einen milliardenschweren Fehlkauf getätigt hat. Dieser Reaktorbauer entstand 1998 aus der Nuklearsparte des US-amerikanischen Westinghouse-Konzerns, nachdem sie an British Nuclear Fuels (BNFL) verkauft worden war, während Siemens das konventionelle Kraftwerksgeschäft von Westinghouse übernahm (991220). Unter dem neuen Eigentümer Toshiba hat der Reaktorbauer unter anderem die Blöcke 3 und 5 im japanischen Kernkraftwerk Fukushima errichtet, mit dessen Explosion am 11. März 2011 die bislang größte KKW-Katastrophe nach Tschernobyl begann (110301). Wegen dem seitdem stark rückläufigen Geschäft und anderen unvorhergesehenen finanziellen Belastungen mußte der Toshiba-Konzern seine Tochter Westinghouse Electric Company im März 2017 in die Insolvenz schicken, aus der sie dann im folgenden Jahr Finanzinvestoren herauskauften und unter dem alten Namen weiterführten. Der japanische Konzern geriet durch dieses und andere Probleme derart ins Schlingern, dass er seitdem um sein Überleben kämpft und sich weitere Verluste durch KKW-Projekte nicht leisten kann.

EDF und Chinesen machen weiter

Noch keine Absetzbewegungen gibt es bisher bei den Staatskonzernen Electricité de France (EDF) und China General Nuclear Corporation (CGN), die von der britischen Regierung ebenfalls mit der Aussicht auf eine hohe Subventionierung des erzeugten Atomstroms zur Mitwirkung an der Erneuerung des britischen Nuklearparks verlockt wurden (131009). Die EDF hat nach dem Baubeschluss für Hinkley Point(160714) mit der Errichtung des ersten Druckwasserreaktors an diesem Standort begonnen und will 2021 eine weitere Anlage desselben Typs am Standort Sizewell in Angriff nehmen. Die Chinesen sind dabei als Juniorpartner der EDF beteiligt. Außerdem planen sie in eigener Regie einen in China entwickelten Reaktor für den Standort Bradwell, der bis 2030 in Betrieb gehen soll.

Neues Finanzierungsmodell würde Bürger zusätzlich mit Kosten für Bau-Verzögerungen belasten

Nach Ansicht des "Guardian" (17.1.) deutet der Rückzug von Hitachi darauf hin, "dass das für Hinkley verwendete und für Wylfa vorgeschlagene Finanzierungsmodell tot ist". Die Regierung werde den bisherigen Ansatz, einen garantierten Strompreis für 35 Jahre anzubieten, wahrscheinlich aufgeben und durch ein neues Finanzierungmodell ersetzen. Zur Entwicklung dieses "regulated asset base" (RAB)-Modell sei im Ministerium für Wirtschaft, Energie und Industriestrategie eine eigene Abteilung geschaffen worden. Die Neuregelung sehe vor, dass eine Regulierungsbehörde eine verbindliche Summe für die Kosten des Kraftwerks und eine daraus resultierende feste Rendite für den Bauherrn festlegt, die letztendlich von den Steuerzahlern getragen wird. Die Entscheidung über die Anwendbarkeit dieses Modells werde in diesem Jahr erwartet. Die EDF Energy unterstütze es. Die Chinesen seien zumindest bereit, es zu prüfen. Ein Kritikpunkt sei jedoch, dass damit das Risiko von Verzögerungen beim Bau der Kernkraftwerke auf die Steuerzahler übertragen werde, denn die festen Renditen müßten auch für die Jahre vor der Stromerzeugung gezahlt werden.

 

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