Februar 2022

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ENERGIE-CHRONIK


BASF und russischer Oligarch streiten um Wintershall DEA

Der BASF-Konzern und der russische Oligarch Michail Fridman streiten sich um die weitere geschäftliche Orientierung des Öl- und Gasförderers Wintershall Dea GmbH. Wie die "Frankfurter Allgemeine" am 26. Februar berichtete, hat Fridman den seit langem geplanten Börsengang des Unternehmens zu Anfang des Monats plötzlich in Frage gestellt. Der Grund ist offenbar der Ukraine-Konflikt, aus dem am 24. Februar sogar ein unerklärter Krieg und Überfall Russlands auf den Nachbarstaat wurde (220201). Fridman begründet seinen Widerstand gegen einen Börsengang damit, dass die Aktien zum gegenwärtigen Zeitpunkt unter Wert verkauft werden müssten. Möglicherweise will er aber auch verhindern, dass unbekannte Investoren über ihre Beteiligung an DEA Zugriff auf die russische Öl- und Gasfelder des Unternehmens bekommen. Die BASF will dagegen anscheinend an dem Börsengang festhalten, um die DEA gerade wegen des von Putins befohlenen Überfalls auf die Ukraine aus der Schusslinie von Sanktionen zu nehmen, die vor allem von den USA zu erwarten sind. Die BASF gehört zu den Miteigentümern der Ostsee-Pipeline Nord Stream (050902) und tritt bei der zweiten Pipeline Nord Stream 2 zumindest als einer der fünf westlichen Geldgeber der russischen Gazprom auf (170406). Der russische Oligarch Fridman ist Hauptaktionär des Finanzfonds LetterOne, der mit 33 Prozent an DEA beteiligt ist, und gilt als enger Freund des russischen Präsidenten Putin.

Die BASF besitzt 67 Prozent und damit eine Zweidrittel-Mehrheit an dem Unternehmen. Bei ihrer Bilanzpräsentation am 24. Februar kündigte Finanzvorstand Hans-Ulrich Engel an, dass sie am Börsengang festhalten werde. Falls LetterOne den Widerstand gegen den Börsengang nicht aufgebe, werde man alle zur Verfügung stehenden Mittel nutzen. Dazu gehöre der Rechtsweg "und das Recht, einen Börsengang im Jahr 2023 einseitig zu verfolgen".

DEA wurde wurde 1899 gegründet und stand ab 2011 auf der Verkaufsliste des RWE-Konzerns

Das Unternehmen Wintershall Dea wurde 1899 als Deutsche Tiefbohr-Actiengesellschaft gegründet und firmierte seit 1911 als Deutsche Erdöl-Aktiengesellschaft (DEA). Geschäftlicher Schwerpunkt waren die Förderung, die Verarbeitung und der Vertrieb von Erdöl. Nach dem ersten Weltkrieg verlor die DEA ihre Unternehmensteile im Elsaß, in Galizien und Rumänien, weshalb sie sich stärker auf die mitteldeutsche Braunkohle und die Ruhr-Steinkohle orientierte. Nach dem zweiten Weltkrieg übernahm 1966 der US-Konzern Texaco die Mehrheit, um sich auf diesem Wege den deutschen Markt für seine Mineralölprodukte zu erschließen. Seit 1970 hieß das Unternehmen Deutsche Texaco AG. 1988 wurde es vom RWE-Konzern übernommen, der es mit seinen eigenen Mineralöl- und Chemieaktivitäten in der RWE DEA AG vereinigte. Nach der Liberalisierung des Strommarktes nutzte RWE das ausgedehnte Tankstellennetz der DEA für den Vertrieb der Strommarke "Avanza" (991013). Die neue RWE-Tochter verfügte neben dem sogenannten Upstream- und Downstream-Geschäft zeitweilig auch noch über einen Chemiebereich ("Condea"). 2001 brachte RWE das DEA-Tankstellennetz mit Raffinerien und Logistik in ein Gemeinschaftsunternehmen mit Shell ein (010305). Im folgenden Jahr übernahm Shell das Downstream-Geschäft der DEA komplett (020813). Das verbleibende Upstream-Geschäft kam zunächst zu RWE Power (030604). Zuletzt war die RWE Dea (Schreibweise nun ohne Versalien) eine der drei länderübergreifenden Töchter unter dem Dach der RWE AG (100315). Ab 2011 stand sie dann auf der Verkaufsliste des Konzerns (110802), der sich dann ganz aus der Öl- und Gasförderung zurückzog (130307) und die DEA wenig später für 4,5 Milliarden Euro an das Finanzkonsortium LetterOne verkaufte, das russischen Oligarchen Michail Fridman, German Khan und Alexey Kuzmichev gehörte (140303). Wenig später übernahm Fridmans Finanzfonds auch noch die Beteiligungen des E.ON-Konzerns an Öl- und Gasfeldern in der norwegischen Nordsee (151008).

Oligarchen kauften DEA mit Geld aus der Zerschlagung des russischen Ölkonzerns TNK-BP

Das Geld, mit dem 2014 die Oligarchen die DEA von RWE kauften, stammte aus dem Verkauf ihrer Viertelbeteiligung am drittgrößten russischen Erdölförderer TNK-BP für 14 Milliarden Dollar. Zuvor hatten sie und zwei weitere Oligarchen, mit denen sie gemeinsam die Hälfte des Unternehmens besaßen, einen jahrelangen Zermürbungskrieg gegen den Ölkonzern BP geführt, der über die andere Hälfte sowie die unternehmerische Führung verfügte. Mit erpresserischen Methoden und Unterstützung durch die korrupte Justiz des Landes war es ihnen gelungen, den Vorstandsvorsitzenden Robert Dudley zur Flucht ins Ausland (080711) und schließlich zum Rücktritt zu zwingen (080908). Dafür durfte dann der Putin-Freund Gerhard Schröder 2009 in den Aufsichtsrat des Ölkonzerns einziehen (090212). Am Ende übernahm der russische Staatskonzern Rosneft jeweils komplett die beiden Anteilshälften der bisherigen Eigentümer von TNK-BP, wobei BP neben einer Barabfindung ersatzweise eine Beteiligung an Rosneft bekam und die Oligarchen einen deutlich über dem Marktwert von TNK-BP liegenden Verkaufspreis von insgesamt 28 Milliarden Dollar einstreichen konnten (121004).

Seit 2018 ist die Wintershall Dea GmbH ein Gemeinschaftsunternehmen von BASF und LetterOne

Im September 2018 unterzeichneten die BASF und der in Luxemburg angesiedelte Finanzfonds LetterOne der drei Oligarchen eine Vereinbarung, ihre jeweiligen Öl- und Gasgeschäfte in einem Gemeinschaftsunternehmen zusammenzuführen. Der Zusammenschluss wurde vollzogen, indem LetterOne sämtliche Anteile an der damaligen DEA Deutsche Erdoel AG in die Wintershall Holding GmbH einbrachte und neue Anteile von dieser erhielt. Durch Beschluss der Anteilseigner wurde die Gesellschaft in Wintershall Dea GmbH (Schreibweise ohne Versalien) umbenannt. Die Kapitalbeteiligungen an dem neuen Unternehmen – die BASF mit 67 und LetterOne mit 33 Prozent – sollten den Wert der jeweiligen Explorations- und Produktionsgeschäfte von Wintershall und DEA widerspiegeln.

 

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