Mai 2024

240509

ENERGIE-CHRONIK


 


Die Ungetüme auf diesem Frachtschiff sind "Transition Pieces" für den neuen Windpark der EnBW. Sie verbinden das Fundament mit dem Turm der Windkraftanlagen. Sie werden auf die 70 Meter langen "Monopiles" aufgesetzt, die unter Wasser mit einem Durchmesser von 9,2 Metern und einem Gewicht von rund 1.350 Tonnen für den sicheren Stand sorgen.
Foto: EnBW

EnBW begann mit Bau des Offshore-Windparks "He Dreiht"

Die Energie Baden-Württemberg (EnBW) begann am 16. Mai mit dem Bau des Offshore-Windparks "He Dreiht" in der deutschen Nordsee. Er soll bis Jahresende 2025 mit einer Leistung von 960 MW in Betrieb gehen. Der Ausbau der Windkraft vor der deutschen Küste, der in den letzten Jahren weitgehend zum Erliegen kam, nimmt damit allmählich wieder Fahrt auf. In diesem Jahr ist die Inbetriebnahme der Windparks "Baltic Eagle" (476 MW) und Gode Wind 3 (242 MW) geplant. Im kommenden Jahr ist mit der Fertigstellung des Windparks Borkum Riffgrund 3 (900 MW) zu rechnen. Zusammen mit "He Dreiht" ergäbe das einen Zubau von 1.860 MW, wie er seit 2015 nicht mehr erreicht wurde. Es werden jedoch noch weit größere Zubaumengen erforderlich sein, um die kumulierte Nennleistung von 30 Gigawatt zu erreichen, die gemäß dem im Juli 2022 beschlossenen Windenergie-auf-See-Gesetz (220703) bis 2030 als Ziel vorgegeben sind (siehe Grafik).

Die Hälfte der Baukosten von 2,4 Milliarden Euro trägt ein Partner-Konsortium

"He Dreiht" liegt 90 Kilometer nordwestlich von Borkum und ungefähr 110 Kilometer westlichen von Helgoland. Der Name heißt auf Plattdeutsch "Er dreht". Die Investitionssumme wird mit rund 2,4 Milliarden Euro beziffert. Die EnBW übernimmt als Mehrheitseigner die technische und kaufmännische Betriebsführung. 49,9 Prozent der Anteile besitzt ein Partnerkonsortium aus Allianz Capital Partners, AIP und Norges Bank Investment Management. Die 64 Windkraftanlagen mit einer Nennleistung von jeweils 15 Megawatt liefert der dänische Hersteller Vestas. Die enorme Leistungsfähigkeit der neuen Windkraftanlagen veranschaulicht die EnBW so: "Eine Rotorumdrehung reicht raus, um vier Haushalte einen Tag mit Strom zu versorgen."

Netzeinspeisung über 230 Kilometer lange HGÜ-Strecke

Die Anbindung ans deutsche Übertragungsnetz erfolgt über eine Konverterstation auf hoher See, die den von den Windkraftanlagen erzeugten Wechselstrom in Gleichstrom umwandelt und über zwei HGÜ-Kabel zu einer zweiten Konverterstation im Raum Cloppenburg überträgt. Dort wird er wieder zu Wechselstrom und ins Höchstspannungsnetz eingespeist. Die HGÜ-Strecke ist insgesamt 230 Kilometer lang. Davon verlaufen 120 Kilometer unter Wasser. Die restlichen 110 Kilometer sind Erdkabel.


Die Grafik veranschaulicht, wie der Offshore-Zubau im Jahr 2015 seinen Höhepunkt erreichte, um dann stark zurückzugehen und ab 2019 fast bedeutungslos zu werden. Ursache war der im Frühjahr 2015 verfügte Genehmigungsstopp, der nur noch die Realisierung von bereits genehmigten Projekten ermöglichte. Erst ab 2017 kam es aufgrund der ersten Fassung des Windenergie-auf-See-Gesetzes wieder zur Neuvergabe einzelner Vorhaben. Dazu gehörte der Windpark "He Dreiht", den sich die EnBW durch Verzicht auf jegliche Förderung erneut sichern konnte, nachdem sie zu lange mit dem Baubeginn gezögert hatte und deshalb die ursprünglich erteilte Genehmigung erloschen war.
Quelle: Deutsche Windguard

Nach dem Erwerb von "He Dreiht" zögerte die EnBW mit dem Baubeginn, bis die Genehmigung verfallen war

"He Dreiht" gehörte ursprünglich dem Entwickler EOS Offshore AG und wurde von diesem zusammen mit dem benachbarten Projekt "Hohe See" vor 16 Jahren an die EnBW verkauft (080515). Nach zeitweiligem Aufschub der Investitionsentscheidung wegen der rechtlichen Unsicherheiten über die künftige Offshore-Politik der Bundesregierung (121120) konnte "Hohe See" dann bis August 2019 fertiggestellt werden und wurde mit dem benachbarten EnBW-Windpark "Albatros" betriebstechnisch zusammengelegt (200108). Die Genehmigung für das Projekt "He Dreiht" verfiel dagegen, weil die EnBW trotz einer Fristverlängerung bis Ende Juni 2017 nicht mit dem Bau begonnen hatte.

Inzwischen gab es auch keine Aussicht mehr, eine neue Genehmigung zu bekommen, da die damalige schwarz-rote Koalition im Mai 2015 einen generellen Genehmigungsstopp verfügte, um den ebenso lebhaften wie unkoordinierten Zubau an Offshore-Windkraft zu beenden (150501). Stattdessen wurde mit dem Windenergie-auf-See-Gesetz ein grundsätzlich neues Verfahren zur staatlichen Lenkung des Offshore-Zubaues eingeführt, das die Vergabe der Windpark-Areale samt Garantien für Netzanschluss und Förderkonditionen von der Teilnahme an Ausschreibungen durch die Bundesnetzagentur abhängig machte. Ein Hauptgrund für diese Umstellung waren die dauernden Probleme mit dem Netzanschluss der Anlagen, die der für die Nordsee zuständige Übertragungsnetzbetreiber TenneT nicht in den Griff bekam.

Durch völligen Verzicht auf Förderung sicherte sie sich das Projekt bei der ersten Ausschreibung erneut

Die erste dieser Ausschreibungen fand im Frühjahr 2017 statt. Zugelassen waren dabei nur die Eigentümer von Projekten, die einst bereits genehmigt wurden oder bei denen die Genehmigung schon weit fortgeschritten war (170213). Zu diesem privilegierten Kreis von Bietern gehörte auch die EnBW. Dennoch musste sie sich enorm anstrengen, um die verlorengegangenen Rechte an dem Projekt "He Dreiht" neu zu erwerben. Dies gelang ihr, indem sie – ähnlich wie der Konkurrent Dong – auf jegliche Förderung verzichtete (170401).

Der so errungene Zuschlag ermöglicht es der EnBW, den neu konfigurierten Windpark "He Dreiht" mit einer auf 960 MW aufgestockten Kapazität bis 2025 in Betrieb zu nehmen. Dank der fortgeschrittenen Technik kann sie nun auf derselben Fläche mit 64 Windturbinen mehr als die doppelte Nennleistung installieren, die ursprünglich von 119 Anlagen im Leistungsbereich von 3,6 MW und 5 MW erbracht werden sollte. Erleichtert wurde der Verzicht auf jegliche EEG-Förderung außerdem durch die neu eröffnete Möglichkeit, den Offshore-Windstrom erstmals über entsprechend gestaltete Lieferverträge mit Großabnehmern als "Grünstrom" vermarkten zu können (220110).

 

Links (intern)