Dezember 2020

201201

ENERGIE-CHRONIK


EEG-Änderungen unter großem Zeitdruck verabschiedet

Der Bundestag verabschiedete am 17. Dezember die Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, wobei es zu etlichen Änderungen an der ursprünglichen Fassung kam, die dem Parlament in erster Lesung vorgelegen hatte (200901). Die Annahme erfolgte mit den Stimmen der schwarz-roten Koalition gegen die der vier Oppositionsfraktionen. Die überaus kurzfristig vorgelegte Beschlussempfehlung, die von der schwarz-roten Mehrheit des Wirtschaftsausschusses am Vortag beschlossen wurde, fügte dem 18 Artikel umfassenden Gesetzespaket mit der EEG-Novelle noch fünf Artikel mit anderen Gesetzesänderungen hinzu. Darunter befanden sich – für die betroffene Branche völlig überraschend – auch weitreichende Korrekturen am Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (201202).

Der große Zeitdruck ist der EEG-Novellierung deutlich anzumerken. Zum Beispiel sind die in § 4 genannten Ausbauziele für Windkraft viel zu niedrig, um das in § 1 formulierte Ziel zu erreichen, den Anteil der Erneuerbaren am Bruttostromverbrauch bis 2030 auf 65 Prozent zu steigern. Sie harmonieren auch nicht mit den deutlich größeren Ausschreibungsmengen, die in § 28 für Windkraft an Land vorgesehen sind. Nachträgliche Korrekturen sind zu erwarten. Zum Teil hat man die offen gebliebenen Fragen in Verordnungsermächtigungen verschoben, von denen die Regierung zu einem späteren Zeitpunkt Gebrauch machen kann.

Kein zusätzlicher rechtlicher Rückenwind für Windkraftanlagen

Beim Vergleich des nun verabschiedeten Gesetzestextes mit dem Kabinettsentwurf fällt auf, dass in § 1 der ursprünglich vorgesehene Absatz 5 wieder gestrichen wurde: "Die Errichtung von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien liegt im öffentlichen Interesse und dient der öffentlichen Sicherheit." Damit hätten vor allem Windkraftprojekte über ihre baurechtliche Privilegierung hinaus besonderen rechtlichen Rückenwind erhalten. Kritiker befürchteten deshalb eine Zurückdrängung des Naturschutzes und anderer wichtiger Belange. Laut Bundesregierung handelte es sich dagegen nur um eine Klarstellung der bereits bestehenden Rechtslage, wie sie sich aus Urteilen des Europäischen Gerichtshofs ergeben würde. Der Bundesverband Windenergie (BWE) wertete die Streichung, die ohne Begründung erfolgte, als "klima- und energiepolitischen Offenbarungseid der Koalition". Damit gehe ein wichtiges politisches Signal verloren.

Künftig zwei "Segmente" bei Solar-Ausschreibungen

Da bei den bisher stattgefundenen Solar-Ausschreibungen fast nur Freiflächen-Projekte zum Zuge kamen, werden mit der EEG-Novellierung ab 2021 separate Ausschreibungen für solare Dachanlagen eingeführt. Die Begriffsbestimmungen in § 3 unterscheiden deshalb nun zwischen "Ausschreibungen des ersten Segments" und "Ausschreibungen des zweiten Segments". Zum ersten Segment gehören Solaranlagen auf Freiflächen sowie solche, "die auf, an oder in baulichen Anlagen errichtet werden sollen, die weder Gebäude noch Lärmschutzwände sind". Zum zweiten Segment gehören Solaranlagen, "die auf, an oder in einem Gebäude oder einer Lärmschutzwand errichtet werden sollen".

Ausschreibungspflicht endet weiterhin bei 750 Kilowatt

Ursprünglich wollte der Gesetzentwurf diese Zweiteilung mit einer Ausweitung der Ausschreibungspflicht verbinden, die bisher bei 750 Kilowatt endet und bis auf 500 Kilowatt gesenkt werden sollte (200905). Darauf wurde verzichtet. Nach § 22 Abs. 6 kann nun aber bei den Ausschreibungen für Solaranlagen des zweiten Segments auch für Projekte mit einer installierten Leistung von 300 Kilowatt bis 750 Kilowatt geboten werden. Aus der Pflicht wurde also eine Kür gemacht und die Grenze um zusätzliche 200 Kilowatt nach unten verschoben.

WKA-Projekte der "Südregion" werden bei Ausschreibungen bevorzugt

Die §§ 36c und 88b mit besonderen Bestimmungen für das Windkraft-"Netzausbaugebiet" im Norden Deutschlands (161101) werden ersatzlos gestrichen. Stattdessen wird mit dem neuen § 36d eine "Südregion" eingeführt. Während das sogenannte Netzausbaugebiet erklärtermaßen bezweckte, den weiteren Zubau an Windkraftanlagen zu bremsen, soll mit der neuen und größeren Südregion derselbe Effekt einer Netzentlastung durch das Gegenteil erreicht werden, indem der Bau von Windkraftanlagen in Baden-Württemberg, Bayern, Südhessen, Rheinland-Pfalz und Saarland bevorzugt gefördert wird. Die als Anlage 5 im neuen EEG 2021 enthaltene Liste der kreisfreien Städte, Stadtkreise, Kreise und Landkreise der Südregion ist identisch mit derjenigen in Anlage 1 des Kohleausstiegsgesetzes (KVBG). Die Privilegierung von Windkraft-Projekten in der Südregion erfolgt durch ein modifiziertes Zuschlagsverfahren: Die fristgerecht eingegangenen Gebote werden von der Bundesnetzagentur zunächst wie bisher geöffnet und auf ihre Zulässigkeit geprüft. Anschließend werden aber alle Gebote, die auf die Südregion entfallen, aussortiert und erhalten bevorzugt so lange einen Zuschlag, bis eine bestimmte Zuschlagsmenge erreicht ist. Dieses Limit beträgt in den Jahren 2021, 2022 und 2023 jeweils 15 Prozent des Ausschreibungsvolumens und ab 2024 zwanzig Prozent. Anschließend erhalten alle restlichen Gebote wie üblich nach ihrer Höhe den Zuschlag, bis das ganze Ausschreibungsvolumen erschöpft ist.

Ausgeförderte Klein-Anlagen haben weiter Anspruch auf Einspeisevergütung

Laut § 21 wird die EEG-Vergütung nun auch für ausgeförderte Anlagen mit einer installierten Leistung bis zu 100 Kilowatt gewährt, wenn sie weiterhin einspeisen und keine Windkraftanlagen sind. Gemäß § 23b, Abs 1 ist dabei als "anzulegender Wert" der Jahresmarktwert anzuwenden, der sich ab dem Jahr 2021 in entsprechender Anwendung von Anlage 1 Nummer 4 berechnet.

Eigenverbrauch bleibt auch ohne "intelligentes Messsystem" möglich

Abweichend von der ursprünglich vorgesehenen Regelung (200904) müssen die Betreiber der ausgeförderten Kleinanlagen nicht mehr den gesamten EEG-Strom dem Netzbetreiber zur Verfügung stellen, wenn kein "intelligentes Messsystem" vorhanden ist. Eigenverbrauch bleibt somit weiterhin möglich. Gemäß § 53 Abs. 2 sind aber die Vergütungen für Anlagen mit intelligenten Messsystemen höher, da diese dann nur zur Hälfte um die Vermarktungskosten der Übertragungsnetzbetreiber reduziert werden, die für 2021 mit 0,4 Cent/kWh veranschlagt sind. Außerdem entfällt nach § 61b für Eigenversorger die EEG-Umlage, wenn die Anlage eine installierte Leistung von höchstens 30 Kilowatt hat.

Für ausgeförderte Windkraftanlagen wird die Vergütung durch Ausschreibungen ermittelt

Eine Sonderregelung gilt für ausgeförderte Windkraftanlagen, deren Zahlungsanspruch Ende 2020 oder Ende 2021 ausläuft. Gemäß § 23b, Abs. 2 ermittelt hier die Bundesnetzagentur nach Maßgabe einer noch zu erlassenden Verordnung den Kreis der Anspruchsberechtigten und den anzulegenden Wert der Vergütung durch Ausschreibungen. Bis dahin richtet sich die Vergütung nach dem Monatsmarktwert für Windenergie an Land, wie er sich aus Anlage 1 Nummer 3 ergibt, plus einem Zuschlag von 0,25 bis 1 Cent pro Kilowattstunde.

Zuwendungen an Windkraft-Gemeinden gehen in Netzentgelte ein

Um die Standortknappheit zu mildern, dürfen die Betreiber neuer Windkraftanlagen den Gemeinden, auf deren Gemarkung sie tätig sind, künftig eine finanzielle Zuwendung gewähren. Nach § 36k sind das 0,2 Cent pro Kilowattstunde für die tatsächlich eingespeiste Strommenge und für die fiktive Strommenge nach Anlage 2 Nummer 7.2. Nicht als betroffen gelten Gemeinden, deren Gemeindegebiet sich nicht zumindest teilweise innerhalb eines um die Windenergieanlage gelegenen Umkreises von 2.500 Metern befindet. Sind mehrere Gemeinden betroffen, ist die Höhe der angebotenen Zahlung pro Gemeinde anhand des Anteils ihres jeweiligen Gemeindegebiets an der Fläche des Umkreises aufzuteilen. Die Betreiber können sich die so getätigten Ausgaben vom Netzbetreiber erstatten lassen, der sie über die Netzentgelte an die Verbraucher weitergibt.

Bei Negativpreisen entfällt der Zahlungsanspruch jetzt nach vier Stunden

Die in § 51 vorgeschriebene "Verringerung des Zahlungsanspruchs bei negativen Preisen" wurde ein weiteres Mal entschärft. Zunächst sollten die Einspeisevergütungen bereits dann gestrichen werden, wenn die Spotmarktpreise 15 Minuten bzw. eine Stunde lang negativ sind (200903). Nun entfällt der Zahlungsanspruch erst nach vier Stunden. Ausgenommen sind Anlagen mit einer Nennleistung von weniger als 500 Kilowatt. Der neu hinzugefügte § 51a entlastet zudem die Betreiber von Anlagen, bei denen der anzulegende Wert durch Ausschreibungen ermittelt wurde. Die gesamte Regelung gilt nur für Neuanlagen. Für Bestandsanlagen entfällt die Förderung weiterhin erst nach sechs Stunden. Aus dem neugefaßten Wortlaut des § 51 ist das allerdings nicht zu entnehmen, sondern erschließt sich erst durch einen entsprechenden Passus der Übergangsbestimmungen in § 100, Absatz 2 Nummer 13.

"Treibhausgasneutralität" bis 2050 angestrebt

Gemäß § 1 verfolgt das Gesetz nun das Ziel, den Anteil des aus erneuerbaren Energien erzeugten Stroms im Jahr 2030 auf 65 Prozent des Bruttostromverbrauchs zu steigern (bisher 55 bis 60 Prozent bis 2035). Ferner soll vor dem Jahr 2050 der gesamte deutsche Stromverbrauch "treibhausgasneutral" erzeugt werden.

Geplanter Zubau bei Photovoltaik höher, bei Windkraft geringer und bei Biomasse negativ

Der Ausbaupfad in § 4 legt wie schon bisher konkrete Ausbauziele für Windkraft an Land, Photovoltaik und Biomasse fest. Er wird aber sicher nicht ausreichen, um bis 2030 den Anteil der Erneuerbaren auf 65 Prozent zu steigern. Beim Vergleich mit den bisherigen Zielvorgaben ergibt sich nur für die Photovoltaik eine deutliche Erhöhung. Dagegen ist der geplante Zubau der landgestützten Windkraft deutlich geringer als in der alten EEG-Fassung. Für Biomasse-Anlage ist er langfristig sogar leicht negativ.

Ausschreibungsvolumen für Windkraft wesentlich größer als das Ausbauziel

Bei Windkraft an Land soll die installierte Leistung, die Ende 2019 bei 54 Gigawatt lag (200107), bis 2022 auf 57 GW erhöht werden und dann bis 2030 auf 71 GW steigen. Das ergäbe einen Zuwachs um 17 GW. Bisherige Vorgabe war ein jährlicher Bruttozubau um 2,9 GW, der in den elf Jahren von 2020 bis 2030 den Bestand um knapp 32 GW erhöht hätte. Das neue Ausbauziel ist also um fast 12 GW niedriger. Unverhältnismäßig groß ist demgegenüber das in § 28 genannte Ausschreibungsvolumen für Windkraft an Land, das sich in den Jahren 2021 bis 2028 auf insgesamt 31,3 GW beläuft. Die Ausschreibungen finden jedes Jahr zu den Gebotsterminen am 1. Februar, 1. Mai und 1. September statt.

Installierte Solar-Leistung soll bis 2030 doppelt so groß sein wie 2019

Bei der Photovoltaik soll im Jahr 2030 eine installierte Leistung von 100 GW erreicht werden. Im Vergleich mit den rund 50 GW am Ende des Jahres 2019 wäre das doppelt soviel. Das alte Ausbauziel von jährlich 2,5 GW hätte demgegenüber nur einen Zuwachs um 27,5 GW bedeutet. Die Ausschreibungen für Photovoltaik des ersten Segments finden gemäß § 28a jedes Jahr zu den Gebotsterminen am 1. März, 1. Juni und 1. November statt. Das Ausschreibungsvolumen beträgt 850 MW im Jahr 2021, 1.600 MW im Jahr 2022, jeweils 1 650 MW in den Jahren 2023, 2024 und 2025 sowie jeweils 1.550 Megawatt in den Jahren 2026, 2027 und 2028. Die Ausschreibungen des zweiten Segments finden jeweils zum 1. Juni und zum 1. Dezember statt. Das Ausschreibungsvolumen beträgt hier jeweils 300 MW in den Jahren 2021 und 2022, jeweils 350 MW in den Jahren 2023 und 2024 und 400 MW ab dem Jahr 2025.

Abstriche bei Biomasse vorgesehen

Bei Biomasse-Anlagen soll im Jahr 2030 die installierte Leistung 8,4 GW betragen. Gegenüber den 10 GW, die Ende 2019 fast erreicht waren, bedeutet das also keinen Zuwachs, wie er zuletzt noch mit jeweils 0,2 GW in den Jahren 2020 bis 2022 vorgesehen war, sondern eine leichte Verringerung des Bestands.

16 "Innovationsausschreibungen" mit 5.450 MW bis 2028

Neu hinzu kommen ab 2021 die Ausschreibungen für "innovative Anlagenkonzepte", die technologieübergreifend stattfinden. Nach § 28c finden diese Innovationsausschreibungen jährlich zum 1. April und 1. August statt. Das jährlich zu vergebende Volumen beträgt zwischen 500 und 850 MW. Insgesamt ergibt das von 2021 bis 2028 eine zu installierende Leistung von 5.450 Megawatt.

Festvergütungen für solare Dachanlagen sinken auf 8,56 bis 6,62 Cent/kWh

Die allgemeine Festvergütung für Strom aus neuen Solaranlagen sinkt nach § 48 von 8,91 auf 6,01 Cent pro Kilowattstunde. Wenn die Anlagen an einem Gebäude oder einer Lärmschutzwand angebracht sind, verringert sie sich bis 10 Kilowatt von 12,70 auf 8,56 Cent, bis 40 Kilowatt von 12,36 Cent auf 8,33 und bis 750 Kilowatt auf 6,62 Cent. Nach § 48 Abs. 5 können jedoch Anlagen im Leistungsbereich von mehr als 300 Kilowatt bis einschließlich 750 Kilowatt diesen Zahlungsanspruch nur für die Hälfte der erzeugten Strommenge geltend machen. Anscheinend soll damit Druck ausgeübt werden, den Strom komplett oder zumindest zur Hälfte direkt zu vermarkten, nachdem auf die Ausweitung der Ausschreibungspflicht verzichtet wurde.

Für Strom aus Geothermie und Gülle sind die Vergütungen am höchsten

Die neue Festvergütung für Strom aus Biomasseanlagen – die nur noch bis zu einer Leistung von 150 Kilowatt gewährt wird – , beträgt 12,8 Cent pro Kilowattstunde (§ 42). Erhöhte Sätze gelten für die Verstromung von Biogas, das aus Biomasse gewonnen wird, und zwar 14,3 Cent bis 500 Kilowatt und 12,54 Cent bis 20 Megawatt (§ 43). Sofern das Biogas aus Gülle stammt, gibt es sogar 22,23 Cent pro Kilowattstunde (§ 44). Für Strom aus Geothermie beträgt der anzulegende Wert unverändert 25,20 Cent pro Kilowattstunde (§ 45). Für Strom aus Wasserkraft gilt ab 2021 ein anzulegender Wert von 12,15 Cent pro Kilowattstunde bis zu einer Leistung von 500 Kilowatt (Kleinwasserkraftanlagen). Er verringert sich dann in sechs Stufen bis auf 3,4 Cent bei einer Leistung von über 50 Megawatt (§ 40). Die genannten Sätze verringern sich in den folgenden Jahren um jeweils 0,5 Prozent.

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