Oktober 2020 |
201001 |
ENERGIE-CHRONIK |
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Bei der Berechnung der EEG-Umlage 2020 lag schon die sogenannte Kernumlage mit 7,688 Cent über den bisherigen 6,756 Cent pro Kilowattstunde. Durch die sogenannte Liquiditätsreserve und den mißlichen Stand des EEG-Kontos kamen knapp zwei weitere Cent hinzu, so dass sich die neue EEG-Umlage auf real 9,651 Cent erhöhte. |
Die vier Übertragungsnetzbetreiber gaben am 15. Oktober die Höhe der EEG-Umlage für das Jahr 2021 bekannt, die sie gemäß § 5 der Erneuerbare-Energien-Verordnung spätestens zu diesem Termin veröffentlichen müssen. Die Umlage steigt demnach real von 6,756 auf 9,651 Cent pro Kilowattstunde. Das ist eine Kostenexplosion um rund 43 Prozent. Die Verbraucher werden davon jedoch nichts bemerken, weil ihnen auf der Stromrechnung lediglich 6,50 Cent/kWh berechnet werden. Sie werden also sogar um fast vier Prozent entlastet. Der Grund dafür ist die neu eingeführte Subventionierung der EEG-Umlage, die von der schwarz-roten Koalition vorsichtshalber schon im Juni im Rahmen ihres "Konjunktur- und Krisenbewältigungspakets" beschlossen wurde, um die Umlage im kommenden Jahr auf 6,5 Cent und 2022 auf 6,0 Cent pro Kilowattstunde deckeln zu können (200602).
Der im Juni genannte Betrag von bis zu elf Milliarden Euro wird nun mit einem Zuschuss von 10,8 Milliarden Euro fast vollständig ausgeschöpft. Und das ist nur der Auftakt: Am 2. Juli billigte der Bundestag eine entsprechende Änderung der Vorschriften zur Ermittlung der EEG-Umlage (200706). Damit können in den folgenden Jahren weitere Deckelungen bzw. Absenkungen vorgenommen werden, sofern die EU-Kommission keine beihilferechtlichen Einwände erhebt.
Die dafür erforderlichen Gelder sollen hauptsächlich aus der neu eingeführten CO2-Bepreisung für fossile Brennstoffe kommen (191103). Wie die Bundesregierung im August auf eine diesbezügliche Anfrage im Bundestag wissen ließ, rechnet sie mit insgesamt knapp 40 Milliarden Euro, die das Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) von 2021 bis 2024 in die Staatskasse spülen wird. Davon will sie jenen Anteil zur Senkung der EEG-Umlage verwenden, der sich aus der nachträglichen Erhöhung der Zertifikatspreise ergibt (201005). Wenn das nicht reicht, wird der Staat wohl oder übel zusätzliche Gelder aus anderen Quellen bereitstellen müssen. Es wäre aber sicher besonders sinnvoll und sinnfällig, gerade die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung zur Förderung der CO2-freien Stromerzeugung zu verwenden. Es spräche sogar einiges dafür, diese klimapolitische Umschichtung noch weiter voranzutreiben, indem die EEG-Umlage ganz abgeschafft und die Förderung der Erneuerbaren komplett über den Staatshaushalt finanziert wird.
Bis 2009 – als die EEG-Abrechnung zum letzten Mal nach der alten Methode erfolgte – entwickelte sich die EEG-Umlage ziemlich geradlinig zu Strommengen und Vergütungen. Sie nahm dabei sogar weniger zu als die beiden anderen Parameter. Das änderte sich schlagartig ab 2010, als die neue Ausgleichsregelung die Förderkosten mit den Spotmarktpreisen für Strom koppelte. Nun stieg die EEG-Umlage deutlich stärker als Strommengen und Vergütungen. Die EEG-Förderung wurde also teuerer und weniger effizient (siehe Original-Grafik mit Tabelle, Oktober 2012). |
Noch im ersten Halbjahr 2019 konnte man den Eindruck gewinnen, als ob die EEG-Umlage den Kostengipfel fast erreicht habe und in absehbarer Zeit wieder sinken werde. Zum Beispiel äußerte die Initiative "Agora Energiewende" diese Erwartung, weil ab 2021 für immer mehr EEG-Anlagen die Förderung nach zwanzig Jahren entfällt und die Einspeisevergütungen früher wesentlich höher waren als heute (190804).
Es stellte sich dann aber bald heraus, dass das seit vier Jahren andauernde Hoch auf dem EEG-Konto nicht anhielt. Daran änderte auch eine leichte Anhebung der EEG-Umlage nichts: Schon im ersten Quartal 2020 fiel der saisonübliche Anstieg auf dem EEG-Konto äußerst matt aus. Im März ging er dann unaufhaltsam in den Sinkflug über, schrammte im Mai die Null-Marke und endete im Juni bei einem Minus von 1,16 Milliarden Euro (200706). Seitdem ist er weiter gefallen und durchbrach im September die Vier-Milliarden-Grenze. Ein derart fettes Minus gab es seit der Einführung des EEG-Kontos im Jahr 2010 noch nie (siehe Grafik).
Woran lag das? – Die Übertragungsnetzbetreiber nennen als Hauptgrund die Corona-Pandemie, die sowohl einen deutlichen Rückgang des Stromverbrauchs als auch der Großhandelspreise am Spotmarkt bewirkte. Insgesamt war der Stromverbrauch im ersten Halbjahr 2020 um 4,52 Prozent niedriger als im Vorjahr (200714). Im selben Zeitraum war der Phelix Base – der stundengewichtete Durchschnittspreis für alle 24 Stunden eines Tages – um fast vierzig Prozent niedriger als im Vorjahr. Ähnlich sah es beim Phelix Peak für die besonders verbrauchsintensiven Stunden 9 - 20 aus. Auffallend war dabei, dass dieser Index, der sonst regelmäßig etliche Euro höher ist, im April auf 14,91 Euro/MWh absank und damit sogar noch unter dem Phelix Base mit 17,09 Euro/MWh lag. So etwas hat es in den 19 Jahren seit Beginn der Phelix-Notierungen noch nie gegeben. Ursache dieser "Inversionslage" war offenbar das Zusammentreffen einer durch die Corona-Krise geschwächten Nachfrage mit einer besonders ertragreichen EEG-Stromerzeugung, die insbesondere tagsüber durch den dann anfallenden Solarstrom den Bedarf überstieg und so ausgerechnet den Phelix Peak auf einen noch nie erreichten Tiefstand drückte (siehe Phelix).
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Seit 2015 war das EEG-Konto stets prall gefüllt und erreichte im März 2019 mit rund sechs Milliarden Euro seinen bisherigen Höchststand . Im zweiten Halbjahr 2019 begann es allerdings deutlich zu schwächeln. Die EEG-Umlage 2020 wurde deshalb leicht angehoben (191003). Das reichte aber bei weitem nicht, um mit der Talfahrt an der Börse Schritt zu halten. Im März 2020 war der Kontostand mit 1,9 Milliarden Euro auf weniger als ein Drittel des Vorjahres gesunken. Zudem blieb die sonst übliche saisonale Erholung aus. Es ging nur noch abwärts. Im Juni rutschte das Konto zum ersten Mal seit 2013 wieder in die roten Zahlen. Bis September erreichte der Fehlbetrag mehr als vier Milliarden Euro. |
Trotzdem lässt es sich nicht einfach mit der "höheren Gewalt" einer unerwartet aufgetretenen Pandemie erklären, wenn die EEG-Umlage nun ebenfalls vom Corona-Virus ergriffen wird. Vielmehr handelt es sich um die Spätfolge einer Deformierung, mit der das Erneuerbare-Energien-Gesetz vor gut zehn Jahren in das Prokrustesbett des neoliberalisierten Strommarktes gezwängt wurde. Konkret: Es geht um die Koppelung der EEG-Förderkosten mit den jeweiligen Großhandelspreisen am Spotmarkt, die ab 2010 mit der "Verordnung zur Weiterentwicklung des bundesweiten Ausgleichsmechanismus (AusglMechV)" verfügt wurde (091201), worauf die damals noch sehr bescheidene EEG-Umlage sogleich um 70 Prozent anstieg (100407). Erst durch diese Deformierung entstand jener Übertragungsweg, auf dem es dem Covid19-Virus gelingen konnte, auch die EEG-Umlage so zu infizieren, dass sie nun in jämmerlichem Zustand auf der Intensivstation liegt und mit Milliarden-Zuschüssen künstlich beatmet werden muss.
Bis dahin verpflichtete die "Bundesweite Ausgleichsregelung" in § 11 EEG die Übertragungsnetzbetreiber, die Kosten der gesetzlich festgelegten Erneuerbaren-Förderung sowie die damit erzeugten Energiemengen anteilig unter sich auszugleichen. Anschließend mussten sie diese Kosten und Mengen ebenso gleichmäßig an die Elektrizitätsversorgungsunternehmen weitergeben, die den Strom an die Letztverbraucher liefern. Jeder Strombezieher bekam so einen bestimmten Anteil an EEG-Strom und bezahlte die damit verbundenen Förderkosten mit der EEG-Umlage auf seiner Stromrechnung. Damit war gewährleistet, dass die Stromverbraucher tatsächlich nur für die echten Kosten der Erneuerbaren-Förderung aufkamen.
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Quantität bedeutet noch lange nicht
Qualität: Das EEG hatte 2017 einen 13mal so großen
Umfang wie die erste Fassung aus dem Jahr 2000. Hinsichtlich
der Kosteneffizenz der Erneuerbaren-Förderung war es aber
schon seit 2012 deutlich schlechter als die früheren
Fassungen.
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Im Vergleich mit dem vorangegangenen Stromeinspeisungsgesetz von 1991 war das erste EEG, das zum 1. April 2000 in Kraft trat (000201), deutlich umfangreicher. Gegenüber dem EEG des Jahres 2012, das zwölf Jahre später 88 Paragraphen und über 175.000 Buchstaben umfaßte, blieb es aber ein recht einfaches, transparentes und vor allem kostenwirksames Instrument zur Subventionierung des Ausbaues der erneuerbaren Energien, wobei sich die EEG-Umlage unmittelbar aus der Höhe der Einspeisungsvergütungen ergab. Wie das Stromeinspeisungsgesetz war es noch weitgehend auf die alten Verhältnisse der integrierten Stromversorgung zugeschnitten. Die 1989 verkündete "Liberalisierung" hatte an den alten Strukturen noch nicht viel verändert. Sie wurde bei der Neufassung des Einspeisungsgesetzes nur insofern berücksichtigt, als man naiverweise – so waren damals die Erwartungen tatsächlich – von einem starken Sinken der Strompreise als Folge des nunmehr einsetzenden Wettbewerbs ausging. Die Vergütungen, die sich bisher nach den Durchschnittserlösen der Stromversorger richteten, wurden deshalb gesetzlich festgeschrieben und zugleich deutlich erhöht. Mit Blick auf die nunmehr vorzunehmende Entflechtung der Netze von Erzeugung und Vertrieb wurden außerdem die Netzbetreiber verpflichtet, den EEG-Strom "vorrangig abzunehmen". Der ins Netz eingespeiste EEG-Strom wurde über die EEG-Quote gleichmäßig auf die Stromversorger verteilt und von diesen an die Endkunden weitergegeben, die ihn nach Maßgabe der jeweils geltenden EEG-Umlage so vergüten mußten, daß die von den Netzbetreibern gezahlten Einspeisungsvergütungen abgedeckt waren.
Das so entstandene EEG belastete die Stromverbraucher bis auf weiteres nicht nennenswert. Noch 2006 stand bei der EEG-Umlage eine Null vor dem Komma. Dennoch erwies es sich als ungemein wirkungsvoll und ließ die EEG-Förderung zu einer einzigartigen Erfolgsgeschichte werden (siehe Hintergrund, April 2010).
Aber gerade dieser Erfolg geriet dem EEG zum Verhängnis. Mit dem Anstieg der EEG-Quote wurde nämlich ein immer größerer Teil der Stromerzeugung dem "Wettbewerb" entzogen und quasi sozialisiert. Beispielsweise ergab sich für das Jahr 2000, in dem das neue EEG in Kraft trat, erst eine EEG-Quote von 3 Prozent. Schon 2005 betrug die Quote aber gut 10 Prozent, und 2008 stieg sie auf über 17 Prozent. Das bedeutete, daß 17 Prozent des Stromabsatzes an die Endkunden außerhalb des liberalisierten Strommarktes bereitgestellt wurden und somit den Profitinteressen von Stromhändlern und Vertrieben entzogen waren.
Für neoliberale Marktideologen war das natürlich ein riesiges Ärgernis. Und die auf Profit getrimmten Stromanbieter sahen einen immer größeren Teil jener Felle davonschwimmen, auf die sie glaubten einen Anspruch zu haben. Die Lobby setzte deshalb alle Hebel in Bewegung, um auch das EEG so zu deformieren, daß es sich der neoliberalen Lehre vom alleinseligmachenden Profitprinzip widerspruchslos einfügte.
Diese Deformierung begann schon 2003, als man dem EEG das "Grünstromprivileg" hinzufügte und einen immer größer werdenden Kreis von Großstromverbrauchern weitgehend von der EEG-Umlage befreite. Die dadurch entstehenden zusätzlichen Kosten wurden auf die Kleinverbraucher abgewälzt. Da sich der Anstieg der EEG-Umlage aber weiterhin sehr in Grenzen hielt, merkten die Betroffenen vorläufig gar nicht, wie das EEG schleichend zu ihrem Nachteil verändert wurde.
Der eigentliche Anschlag auf das EEG erfolgte dann 2010 mit dem Inkrafttreten einer Verordnung, die die bisherige Wälzung der EEG-Kosten einschließlich der damit verbundenen Absatzgarantie radikal beseitigte. Diese Änderung wurde klammheimlich und handstreichartig eingefädelt, indem man schon 2008 dem EEG eine entsprechende Verordnungsermächtigung einfügte. Als die Große Koalition aus Union und SPD dann von dieser Ermächtigung Gebrauch machte, schenkte niemand der so entstandenen "Verordnung zur Weiterentwicklung des bundesweiten Ausgleichsmechanismus des EEG" (AusglMechV) größere Beachtung, zumal es sich ja bloß um eine unwesentliche Ausführungsverordnung zu handeln schien. Angeblich bezweckte sie nur eine Vereinfachung des bisherigen Verfahrens, das insbesondere für kleine und mittlere Stromvertriebe den Aufwand und die Mehrkosten verringern sollte (090507).
Tatsächlich wurde hier aber die Axt an die Grundlagen des bisherigen EEG gelegt. Die Erneuerbaren-Förderung und die sich daraus ergebende Belastung der Stromverbraucher wurde nun zu einer Art Lotterie mit der Strombörse als Dreh- und Angelpunkt. Anstatt endlich für genügend Speicherkapazitäten zu sorgen, damit die fluktuierende Erzeugung von Windkraft- und Solaranlagen zeitlich gestreckt und ausgeglichen werden kann, wurde bewußt die weitgehende oder sogar totale Entwertung des so erzeugten Stroms in Kauf genommen, wenn er nicht im selben Moment auf einen angemessenen Marktpreis stieß. Anstatt das Problem der fluktuierenden Erzeugung technisch zu lösen, wurden überschüssige Strommengen, für die es augenblicklich keinen Bedarf gab, einfach ökonomisch abgewertet und über die Strombörse entsorgt.
Der Gipfel dieses neoliberalen Irrsinns waren die Negativpreise von bis zu 3000 Euro pro Megawattstunde, die im Vorgriff auf den neuen "Ausgleichsmechanismus" an der Strombörse spiegelbildlich zu der bisherigen positiven Preisskala eingeführt wurden. Seitdem müssen die Übertragungsnetzbetreiber dem EEG-Strom, zu dessen Verramschung an der Börse sie verpflichtet wurden, an zahlreichen Stunden des Jahres noch sehr viel Geld hinterherwerfen, damit er ihnen überhaupt abgenommen wird (100101). Schon bei der probeweisen Anwendung der Neuregelung am 26. Dezember 2009 mussten die Netzbetreiber den EEG-Strom nicht nur zehn Stunden lang verschenken, sondern auch noch Millionen Euro an Aufgeld zahlen, damit sie ihn überhaupt los wurden (091201).
Kein Wunder also, dass die EEG-Umlage nun zu galoppieren begann. Von 2008 bis 2011 nahm sie um 204 Prozent zu. Im selben Zeitraum stiegen die Einspeisungsvergütungen nur um 85 Prozent und die erzeugten EEG-Strommengen sogar nur um 38 Prozent. Selbst anspruchsvolle Leitmedien wie FAZ und SZ erweckten freilich den Anschein, als ob der Anstieg der Einspeisungsvergütungen die EEG-Umlage derart aufgebläht habe. Als Sündenbock musste vor allem die Photovoltaik herhalten (101001). Der Normalverbraucher verstand noch weniger, was da eigentlich vor sich ging. Deshalb entstand kein Druck auf die Politik, den verkorksten "Ausgleichsmechanismus" grundlegend zu ändern. Man beließ es bei kleineren Korrekturen. Vor allem wurde die Höhe der Negativpreise begrenzt, die von den Übertragungsnetzbetreibern bei der Verramschung des EEG-Stroms an der Börse in Kauf genommen werden müssen (100201, 150209).
Die so entstehenden Kosten werden über die EEG-Umlage auf die Letztverbraucher abgewälzt, wobei diese aber keineswegs von den niedrigen Großhandelspreisen profitieren, die sie über die EEG-Umlage finanzieren müssen. Dies irritierte sogar die Bundeskanzlerin, als sie am 16. Oktober 2012 "dringenden Reformbedarf beim EEG" sah und auf den Preisrückgang am Spotmarkt als Ursache für den 47-prozentigen Anstieg der EEG-Umlage im kommenden Jahr verwies: "Ein Teil der Erhöhung der EEG-Umlage beruht – man höre und staune – darauf, dass der Strom an der Börse billiger geworden ist. Da die Förderkosten für die erneuerbaren Energien natürlich immer die gleichen sind, der Strom aber billiger geworden ist, sind die Differenzkosten höher. Das heißt, auch das macht einen Teil der EEG-Umlage aus." Faktisch räumte Angela Merkel damit ein, dass die seit 2009 probeweise praktizierte und seit 2010 gesetzlich vorgeschriebene Verramschung des EEG-Stroms an der Börse die EEG-Umlage hochgetrieben hat (121001).
Eine derart fundamentale Veränderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes hätte keinesfalls mittels einer einfachen Rechtsverordnung geschehen dürfen. Daß der Bundestag diese Verordnung ohne jede Diskussion abnickte, machte die Sache nur noch schlimmer. Erst im Sommer 2011 kam es zu einer nachholenden Novellierung des EEG, die vom Bundestag freilich ebenso unkritisch abgenickt wurde (110603).
Die Schere zwischen EEG-Umlage und der damit geförderten Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen öffnete sich seitdem immer weiter (121001). Ein immer größerer Teil der EEG-Umlage versickerte in dem komplizierten Prozedere zur "Marktintegration" des EEG. Man braucht sich nur den lawinenartig angeschwollenen Umfang des Gesetzestextes vor Augen führen, um zu ahnen, was da für ein Moloch entstand, der mit dem ursprünglichen EEG nicht mehr viel gemein hat. Der neue "Ausgleichsmechanismus" und andere strukturelle Webfehler der Gesetzgebung haben aus dem EEG ein Gebilde gemacht, das hinsichtlich der Kompliziertheit und unkalkulierbaren Risiken an Finanzprodukte erinnert. Im Vergleich damit war der "Kohlepfennig", den das Bundesverfassungsgericht vor einem Vierteljahrhundert als grundgesetzwidrige Sonderabgabe untersagte (941201), geradezu ein Muster an verfassungsrechtlicher Solidität
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Bis 2013 bewegte sich das neu eingeführte EEG-Konto trotz sukzessiver Anhebungen der EEG-Umlage mehr im Minus als im Plus. |
Im vierten Quartal 2012 erreichte das mit dem "Ausgleichsmechanismus" eingeführte EEG-Konto ein vorläufiges Rekorddefizit von drei Milliarden Euro. Die EEG-Umlage für das Jahr 2013 stieg gleich um 47 Prozent auf 5,26 Cent/Kilowattstunde und hatte sich damit binnen drei Jahren verdoppelt. Angesichts der bevorstehenden Bundestagswahlen brach daraufhin bei der schwarz-gelben Koalition Panik aus und es begannen hektische Bemühungen zur "Einführung einer Strompreis-Sicherung im EEG" (130102). Im Kern liefen sie darauf hinaus, die EEG-Umlage für 2014 auf dem erreichten Stand einzufrieren. Auch blieb es nun bei der geltenden Regelung, dass die Übertragungsnetzbetreiber bei Negativpreisen ab 150 Euro pro Megawattstunde nicht mehr verpflichtet waren, die Zwangsverramschung des EEG-Stroms bis in den technisch möglichen Keller von minus 3000 Euro pro Megawattstunde zu betreiben (130216). Diese Pläne für eine "Strompreisbremse" wurden dann aber noch vor den Bundestagswahlen sang- und klanglos wieder fallengelassen, weil das Defizit auf dem EEG-Konto bis März 2013 auf 452 Millionen Euro zurückgegangen war (130415).
Es bedurfte indessen einer nochmaligen kräftigen Erhöhung der EEG-Umlage für das Jahr 2014, damit das EEG-Konto, das seit Juni 2012 fortwährend defizitär war, endlich wieder schwarze Zahlen aufwies. Nun allerdings geschah ein kleines Wunder: Die EEG-Umlage schien sich auf dem erreichten hohen Niveau von 6,24 Cent pro Kilowattstunde zu stabilisieren. In den folgenden fünf Jahren stieg sie nur noch mäßig an und wurde zwischendurch sogar dreimal gegenüber dem Vorjahr wieder abgesenkt. Im Durchschnitt lag sie bei 6,52 Cent. Ab 2014 blieb der Kontostand, der bisher saisonal zwischen rot und schwarz wechselte, durchweg positiv. Seit 2015 war das EEG-Konto überdies immer prall gefüllt und erreichte im März 2019 mit rund sechs Milliarden Euro seinen bisherigen Höchststand.
So kam es zu der eingangs erwähnten Einschätzung, dass die EEG-Umlage nun den Kostengipfel fast erreicht habe und in absehbarer Zeit wieder sinken werde. Das Ausscheiden von immer mehr Altanlagen aus der Förderung nach zwanzig Jahren sowie der stark gesunkene Förderbedarf pro Kilowatt installierter Leistung bei neuen Anlagen schienen zu dieser Hoffnung zu berechtigen. Was dabei übersehen wurde, war die Achillesferse, unter der das EEG seit 2010 leidet, als der neue "Ausgleichsmechanismus" in Kraft trat. Die Koppelung der EEG-Umlage mit den Strompreisen am Spotmarkt hat eben nicht nur eine absolut unnötige Verteuerung der Erneuerbaren-Förderung bewirkt. Sie hat selbst auf dem inzwischen erreichten hohen Niveau noch Sprengwirkung, wie die plötzliche Explosion der EEG-Umlage auf 9,651 Cent pro Kilowattstunde für das Jahr 2021 zeigt. Dass diese enorme Belastung den Stromverbrauchern im kommenden Wahljahr erspart bleibt, weil der Bund die reale EEG-Umlage durch Milliardenzuschüsse auf 6,50 Cent/kWh heruntersubventioniert, bleibt ein schwacher Trost: Auch dieses Geld stammt letztendlich vom Steuerzahler und hätte sinnvoller für andere Zwecke ausgegeben werden können.