April 2022

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ENERGIE-CHRONIK


Auch die BASF zieht sich aus Russland zurück

Der BASF-Konzern will es nicht mehr bei seiner Ankündigung vom 3. März belassen, in Russland und Belarus lediglich keine neuen Geschäfte abzuschließen. Wie er am 27. April mitteilte, hat der Vorstand nun entschieden, auch die bestehenden Aktivitäten des Unternehmens in Russland und Belarus bis Anfang Juli 2022 einzustellen. Eine Ausnahme bilde das Geschäft zur Unterstützung der Nahrungsmittelproduktion, da der Krieg das Risiko berge, eine weltweite Nahrungsmittelkrise auszulösen. Diese Entscheidung sei "aufgrund der jüngsten Entwicklungen in diesem Krieg und im internationalen Recht" einschließlich des fünften EU-Sanktionspakets getroffen worden. Derzeit würden detaillierte Pläne zu einer geordneten Einstellung der Aktivitäten in Russland und Belarus erarbeitet. Die dort tätigen 684 Mitarbeiter würden noch bis Jahresende "unterstützt".

Kern der Geschäftsbeziehungen mit Russland ist Wintershall Dea

Laut dieser Pressemitteilung macht das operative Geschäft der BASF in Russland und Belarus nur "rund 1 Prozent" des Gesamtumsatzes aus. Die Einstellung dieser Aktivitäten kann demnach ohne weiteres verschmerzt werden. Nicht inbegriffen ist dabei allerdings der eigentliche Kern der Geschäftsbeziehungen mit Russland, den die in Kassel und Hamburg angesiedelte BASF-Tochter Wintershall Dea repräsentiert. Dieser Öl- und Gasförderer erhielt 2015 von der Gazprom umfangreiche Beteiligungen an der russischen Gasförderung, indem er dem russischen Staatskonzern sein gesamtes Erdgashandels- und Speichergeschäft überließ (150904). Die Wintershall Dea verfügt dadurch über direkten Zugang zu russischen Gasfeldern und ist für die Gasversorgung der BASF von enormer Bedeutung. Es nimmt deshalb nicht wunder, dass der Konzernchef Martin Brudermüller seit Beginn des Ukraine-Krieges immer wieder vor einem Gas-Embargo gegen Russland warnte, das angeblich vor allem Mittelständler treffen und sogar den Untergang der deutschen Volkswirtschaft bedeuten würde.

Dividenden der Oligarchen bleiben vorerst eingefroren

Seit 2018 sind die russischen Oligarchen Michail Fridman, German Khan und Alexey Kuzmichev über ihren in Luxemburg angesiedelten Finanzfonds LetterOne an Wintershall Dea zu einem Drittel beteiligt. Dieser Einstieg der Putin-Freunde kam zunächst den Geschäftsbeziehungen zugute, wurde aber mit Putins Überfall auf die Ukraine zur Belastung (220203). Am 15. März teilte die BASF-Tochter mit, dass German Khan sein Amt als Mitglied des Aufsichtsrats zur Verfügung gestellt habe. Ab sofort würden "keine vertraulichen Informationen betreffend Aufsichtsratsthemen mehr mit German Kahn geteilt". Im übrigen prüfe man "mit Blick auf die jüngst erfolgte Aufnahme von Herrn Khan in die Sanktionslisten der EU und des Vereinigten Königreichs, ob dies weitere Folgen für LetterOne als Aktionärin der Wintershall Dea AG hat". Alle Zahlungen an LetterOne würden einstweilen "rein vorsorglich" eingestellt.

Erstes Ergebnis des Bündnisses mit Gazprom war der ostdeutsche "Gaskrieg"

Die BASF wird sich nun insgesamt ihrer Verantwortung dafür stellen müssen, dass sie drei Jahrzehnte lang der wichtigste Partner der Gazprom und Marktöffner für die Energie-Außenpolitik des Kreml in Europa war. Sie hat dabei die Abhängigkeit der deutschen Industrie und Haushalte von russischen Gaslieferungen so sehr vorangetrieben, dass nun laut ihrem Chef Brudermüller angeblich sogar die ganze Volkswirtschaft zusammenbricht, falls Putin den Gashahn zudreht oder seitens der EU ein Embargo beschlossen wird. Die Gefahren dieser Abhängigkeit von einem despotischen Regime waren indessen seit langem vorhersehbar und wurden von der BASF geflissentlich ignoriert (siehe Hintergrund, November 2012).

Zum ersten Schulterschluss kam es schon 1990, als die Gazprom in dem Chemiekonzern einen nützlichen Helfer fanden, um direkten Einfluß auf den Vertrieb von russischem Gas in Deutschland zu gewinnen, der bis dahin ausschließlich über die Ruhrgas erfolgte. Im Oktober 1991 entbrannte deshalb zwischen BASF und Ruhrgas ein offen ausgetragener "Gaskrieg" um die Vorherrschaft beim ostdeutschen Ferngasunternehmen VNG, der erst 1994 beigelegt wurde (siehe Hintergrund, August 2008).

Die beiden Ostsee-Pipelines kamen mit maßgeblicher Unterstützung durch BASF zustande

Als im Mai 2005 das finnische Gas- und Ölunternehmen Neste Oy aus der Projektgesellschaft ausstieg, die Gazprom für den Bau der ersten Ostsee-Pipeline gegründet hatte, bemühten sich die Russen erfolgreich um die BASF als neuen Partner. Die BASF-Tochter Wintershall war mit Gazprom schon seit längerem über das Gemeinschaftsunternehmen Wingas verbandelt und hatte sich im Juli 2003 zusätzlich in das Gemeinschaftsunternehmen "Achimgaz" zur Förderung von Erdgas aus dem Achimov-Horizont des Urengoy-Feldes einbinden lassen. Außerdem gelang es dem Kreml, auch noch E.ON, die niederländische Gasunie und Frankreichs GDF Suez für den Bau der ersten Ostsee-Pipeline ins Boot zu holen, der schon damals nur dem Zweck diente, die Gas-Transitländer Ukraine und Polen zu umgehen und so besser erpressen zu können (siehe Hintergrund, November 2011). Und schon kurz nach Putins Annektierung der Krim, die nur das Vorspiel zum heutigen Überfall auf die gesamte Ukraine war, setzte dann der damalige BASF-Chef Kurt Bock seine Unterschrift unter den Konsortialvertrag für den Bau der zweiten Ostsee-Pipeline (150905).

Die von E.ON vereinnahmte Ruhrgas wurde ebenfalls zum Gehilfen der Gazprom

Die Ruhrgas AG, die einst der alleinige Abnehmer von Gazprom und Verteiler des russischen Erdgases in der Bundesrepublik war, hatte das Gazprom-Projekt Nord Stream abgelehnt und wollte es verhindern. Später war dann aber auch sie neben der BASF an an beiden Ostsee-Pipelines beteiligt – und zwar in Gestalt des E.ON-Konzerns, der sich 2003 den einstigen deutschen Erdgasmonopolisten mit Hilfe einer von der Schröder-Regierung erlassenen Ministererlaubnis gegen den Widerstand des Bundeskartellamts einverleiben durfte (030101, 130514)

 

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