Juli 2022 |
220710 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die Umweltorganisation Greenpeace kritisierte am 29. Juli scharf ein Gutachten des TÜV Süd, mit dem der bayerische CSU-Vorsitzende und Ministerpräsident Markus Söder seine Forderung nach Verlängerung der Laufzeit für den Reaktor Isar 2 begründet. Ein von ihr in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten der Hamburger Kanzlei Michael Günther wirft der TÜV Süd Industrie Service GmbH eine "schlampig argumentierende Auftragsarbeit" vor, die "nicht als seriöse Bewertung anerkannt werden kann". Auch ergebe sich der Eindruck, der TÜV würde geltendes Atomrecht außer Acht lassen. Die undatierte Bewertung sei "offenbar für den Einsatz als Waffe in der aktuellen Diskussion um eine Laufzeitverlängerung in der politischen Arena bestimmt" gewesen.
"Der TÜV Süd bescheinigt, was der Auftraggeber wünscht. Unabhängig vom Zustand und ohne Überprüfung der AKW steht für den TÜV das Ergebnis bereits fest", meinte dazu der Atomphysiker und Greenpeace-Experte Heinz Smital. Als global agierender Konzern stehe der TÜV Süd bereits seit längerem in der Kritik. So müsse er sich derzeit vor dem Landgericht München wegen des verheerenden Dammbruchs an der brasilianischen Mine Córrego do Feijao verantworten, der im Januar 2019 mindestens 259 Todesopfer forderte.
Laut "Süddeutsche Zeitung" (23.7.) hat das Anfang April in Auftrag gegebene Gutachten der Landesregierung schon seit zwei Monaten vorgelegen, bevor sie es veröffentlichte. "Dies lässt Rückschlüsse auf eine sehr kurze Bearbeitungsdauer zu und nährt den Verdacht, dass hier ein Gefälligkeitsgutachten erstellt worden ist", heißt es in der Stellungnahme der Kanzlei Michael Günther (siehe PDF).
Die bayerische Landesregierung hatte am 7. April den TÜV Süd mit einem Gutachten beauftragt, welche technischen Maßnahmen für einen Weiterbetrieb des Reaktors Isar 2 und für eine Wiederinbetriebnahme des zum Jahresende 2021 abgeschalteten Reaktors Gundremmingen C (220111) erforderlich wären. Die nur sechs Seiten umfassende Antwort– jeweils rund drei Seiten für Gundremmingen C und Isar 2 – fiel sicher zur Zufriedenheit des Auftraggebers aus: Ein Weiterbetrieb von Isar 2 sei mit den vorhandenen Brennelementen für etwa 80 Tage möglich und würde die Erzeugung von rund 2200 Gigawattstunden (GWh) ergeben. Durch bloßes Umsetzen der Brennelemente könne der Weiterbetrieb auf drei Monate verlängert und die Stromerzeugung auf etwa 5160 GWh erhöht werden. Bei rechtzeitiger Bestellung neuer Brennelemente sei dann eine Weiterführung des Betriebs über den Herbst 2023 hinaus möglich.
Bei dem bereits stillgelegten Reaktor C in Gundremmingen hielt es der TÜV Süd für "plausibel", dass mit den im Lagerbecken noch vorhandenen Brennelementen "ein Reaktorkern zusammengestellt werden kann, der sämtliche sicherheitstechnischen Randbedingungen erfüllt und der ohne Beschaffung frischer Brennelemente einen Leistungsbetrieb für ca. 6 Monate ermöglicht". Damit könne eine Strommenge von etwa 4900 GWh erzeugt werden.
Ende Juli war das Papier des TÜV Süd (PDF) nicht mehr von der Seite des bayerischen Umweltministeriums abrufbar.