Oktober 2022

221012

ENERGIE-CHRONIK




Im Internet wird die 10-Kilo-Packung mit REKORD-Briketts zu Phantasiepreisen angeboten, die rund zehnmal so hoch sind wie die ebenfalls gestiegenen Preise von seriösen Händlern. Im Vorjahr kostete die 10-Kilo-Tragepackung teilweise weniger als drei Euro. Anscheinend spekulieren derartige Angebote auf Leute, die nicht rechnen können, denn Gasheizung ist da immer noch günstiger...

Letzter Brikett-Hersteller kann Nachfrage nicht befriedigen

Der letzte deutsche Brikett-Hersteller "Rekord" im LEAG-Veredelungsbetrieb Schwarze Pumpe in der Niederlausitz kann derzeit die Nachfrage nach diesem Brennstoff nicht befriedigen. Der Grund dafür ist zum einen, dass viele Besitzer von alten Ofenheizungen oder neu angeschafften Kaminöfen wegen der enorm gestiegenen Gas- und Heizölpreise vermehrt auf diesen konventionellen Wärmespender ausweichen wollen. Hinzu kommt aber auch, dass die unvorhergesehene Wiederinbetriebnahme der Blöcke E und F des Kraftwerks Jänschwalde (221004) zu Lasten der Brikett-Fertigung geht. Eine erheblich stärkere Nachfrage stößt also auf ein erheblich geringeres Angebot, denn zu allem Überfluss hat auch noch RWE als bislang zweiter Hersteller den Vertrieb von "Union"-Briketts an Haushaltskunden praktisch schon eingestellt. Zum Jahresende wird RWE Power die Produktion dieses Brennstoffs ganz beenden.

LEAG dementiert Bericht über Stopp der Produktion

Auf Nachfrage der ENERGIE-CHRONIK wies ein LEAG-Sprecher den Bericht einer Zeitung zurück, wonach Weisung ergangen sei, wegen der Energiekrise die gesamte ostdeutsche Braunkohleförderung nur noch für die Verstromung zu verwenden. "Bereits seit Oktober 2021 arbeitet die LEAG-Brikettfabrik vor dem Hintergrund gestiegener Öl- und Gaspreise mit der vollen Kapazität", versicherte er. "Seit Januar 2022 ist die Produktion im Vergleich zum Vorjahr um 40 Prozent gestiegen. Eine derart starke, auch über die Sommermonate anhaltende Nachfrage nach Braunkohlenbrikett, wie wir sie aktuell vor dem Hintergrund gestiegener Rohstoff- und Strompreise und einer infolge des Ukrainekrieges möglicherweise drohenden Lücke in der Gasversorgung erleben, ist außergewöhnlich und in den letzten 30 Jahren so nicht mehr vorgekommen."

Allerdings komme erschwerend hin, "dass gerade in dieser angespannten Situation die zweite Brikettfabrik in Deutschland im Rheinischen Revier ihre Brikettproduktion heruntergefahren und angekündigt hat, sie zum Jahresende ganz einzustellen". Auch deren ehemalige Kundschaft habe sich bereits mit Bestellungen an den LEAG-Vertrieb für "Rekord"-Briketts gewendet. Derzeit würden vorrangig bestehende Lieferverträge mit Bestandskunden abgearbeitet. Aber auch deren Bestellmengen hätten sich im Vergleich zu den Vorjahren insgesamt deutlich erhöht. Neue Bestellungen könnten seit September bis auf Weiteres nicht mehr angenommen werden.

Versorgung von Jänschwalde E und F hat Vorrang

Außerdem – so räumte er ein – sei aktuell die Produktion von Briketts sowie von Braunkohlenstaub für industrielle Zwecke im LEAG-Veredlungsbetrieb Schwarze Pumpe noch durch einen zusätzlichen ungeplanten Umstand eingeschränkt, nämlich durch die Wiederinbetriebnahme der Blöcke E und F des Kraftwerks Jänschwalde, die vorerst bis 30. Juni 2023 an den Strommarkt zurückkehren dürfen (221004). "In unserer Jahresplanung für die Kohleförderung in den Tagebauen war das ursprünglich nicht vorgesehen. Wir müssen nach Einschätzung der aktuellen Bedarfs- und Versorgungslage davon ausgehen, dass beide Blöcke, ebenso wie die anderen von der LEAG betriebenen Braunkohlenkraftwerksanlagen, mit der vollen verfügbaren Leistung gefordert werden, um die Stromversorgung in Deutschland über die Herbst-Winter-Periode absichern zu helfen. Entsprechend erhöht sich hierfür der Kohlebedarf und die für die Produktion des Veredlungsbetriebes verfügbare Menge reduziert sich." Eine Erweiterung der Fördermengen in den Tagebauen sei nicht möglich, da auch hier die Kapazitäten voll ausgelastet bzw. durch seit langem geplante und notwendige Umbaumaßnahmen zum Teil begrenzt seien.

Links (intern)

 


Hintergrund

In memoriam: Die UNION-Briketts

(siehe oben)

Mit dem Brikettieren von Kohle wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begonnen, als die Eisenbahnen und Dampfschiffe allmählich die Befeuerung der Heizkessel von Koks auf Steinkohle umstellten. Als Bindemittel für die zermahlene Feinkohle diente der Teer, der bei der Verkokung der Steinkohle als Nebenprodukt anfiel (ähnlich wie das Leuchtgas, das aber anfangs meistens kein Nebenprodukt, sondern der Hauptzweck der Verkokung war).

Gegen Ende des Jahrhunders erlangte auch die Brikettierung von Braunkohle zunehmend Bedeutung. Dieser fossile Brennstoff war sozusagen eine festere Art von Torf. Hier konnte auf ein Bindemittel verzichtet werden. Er musste aber aufwendig getrocknet werden, bevor er unter hohem Druck zu Briketts gepresst werden konnte. Nachdem die anfangs sehr mühsame manuelle Herstellung von solchen "Klütten" durch industrielle Verfahren verbessert und ersetzt werden konnte, wurden Braunkohle-Briketts um die Wende zum 19. Jahrhundert neben Steinkohle-Briketts (ihrer Form wegen auch "Eierkohlen" genannt) zum wichtigsten Brennstoff für die Beheizung von Einzelöfen in Wohnungen und anderen Räumen.

Mit der "Exter-Presse" begann in Sachsen die industrielle Fertigung


UNION-Werbung damals...


...und heute

Im rheinischen Braunkohle-Revier war es die "Actiengesellschaft Brühl-Godesberger Verein für Braunkohlenverwerthung", die 1877 als erste zwei Brikettpressen in Betrieb nahm. Sie beruhten auf der Weiterentwicklung einer 1856 erfundenen Torfpresse. Es folgten weitere Unternehmen mit Grubenfeldern und danach benannten Vertriebsmarken wie Donatus, Fortuna oder Rheingold. Dazu gehörte seit 1902 die Fabrik in Frechen-Wachtberg, die bis heute als letztes Unternehmen die Braunkohle des rheinischen Reviers zu "Union"-Briketts verarbeitete und zum Jahresende ihre Produktion endgültig einstellt.

Die erste industrielle Fertigung erfolgte allerdings schon 1858 im Osten Deutschlands, im sächsischen Ammendorf. Die Technik steckte damals noch in den Kinderschuhen. Man benutzte auch hier die bereits erwähnte Torfpresse, die zwei Jahre zuvor ein Mann namens Carl Exter erfunden hatte, in einer für die Braunkohle abgewandelten Form. Ein Zeitgenosse beschrieb diese "Exter-Presse" folgendermaßen:

"Bei jedem Hube (des Stempels) tritt eine abgemessene Menge Kohleklein in die Form, deren vordere Oeffnung durch einen Strang bereits gepresster Briketts ausgefüllt ist. Gegen das zuletzt gepresste Brikett drückt der Preßstempel bei der Vorwärtsbewegung das Kohleklein zu einem neuen Brikett zusammen, während die Reibung der in der Form befindlichen Briketts den Gegendruck ergibt. Dieser wird jedoch zuletzt überwunden und der Brikettstrang um eine Brikettdicke durch die Form in ein anschließendes Gerinne vorgedrückt. Bei dieser Bewegung trennen sich die einzelnen Briketts von einander, werden durch die umgebende Luft gekühlt und dann erst verladen oder gelagert, da sonst Selbstentzündung eintreten könnte."

Die Marke UNION stand für den gemeinsamen Vertrieb von 19 rheinischen Brikettfabriken

Die Vertriebsmarke "Union" entstand – daher auch der Name – aus dem Ende 1899 erfolgten Zusammenschluss von 19 rheinischen Brikettfabriken zu einer gemeinsamen Vertriebsorganisation, die ab 1901 die Produktion einzelner Mitgliedsfirmen unter dieser Bezeichnung vertrieb. Ab 1904 gab es dann nur noch "Union"-Briketts. Sie repräsentierten etwa zwei Drittel der deutschen Brikettfertigung.

Nach dem zweiten Weltkrieg wurde die Fabrik in Frechen-Wachtberg Anfang der fünfziger Jahre von der Rheinischen AG für Braunkohlenbergbau und Brikettfabrikation (RAG) zuerst gepachtet und dann übernommen. Die RAG hatte zuvor auch das Erbe der Braunkohlengruben Donatus und Fortuna angetreten. Sie gehörte ihrerseit ab 1933 dem RWE-Konzern, hieß ab 1989 Rheinbraun AG und ging 2003 in der neugegründeten RWE Power AG auf (030604). Den Namen Rheinbraun behielten nur noch zwei Töchter, die vor allem Herstellung und Vertrieb der "Union"-Briketts besorgten.

Zuletzt stammten alle "Union"-Briketts aus dieser letzten verbliebenen Brikettfabrik des rheinischen Reviers, die Rheinbraun bzw. RWE gehörte. Die Produktionseinstellung zum Jahresende 2022 wurde schon vor mehr als zwei Jahren angekündigt und war Bestandteil des Kohleverstromungsbeendigungsgesetzes (KVBG), das der Bundestag im Juli 2020 beschloss (200701). Laut Anlage 2 des KVBG werden damit in Frechen-Wachtberg 120 von 176 Megawatt an Braunkohle-Nettoleistung zum 31.12.2022 stillgelegt.

In der DDR gab es 23 Brikettfabriken mit 5000 Beschäftigten

Neben den "Union"-Briketts im rheinischen Revier gab es vor allem im Lausitzer Revier etliche andere Hersteller und Vertriebsmarken. Ein weiterer Schwerpunkt war das Mitteldeutsche Revier. Nach dem zweiten Weltkrieg gab es in der DDR – deren Energieversorgung auch sonst weitgehend auf Braunkohle basierte – insgesamt 23 Brikettfabriken mit 5000 Beschäftigten, die jährlich rund 20 Millionen Tonnen des unentbehrlichen Brennstoffs herstellten. Die Briketts verloren ihre alten Markenbezeichnungen wie Ilse-Briketts, Victoria-Briketts, Fürst Bismarck oder Kraft-Briketts. Stattdessen wurden sie zunächst nach den Betrieben benannt, die sie herstellten. Wenig später folgten schmucklose technische Kürzel wie G 156 für das rechteckige Format oder H 91 für das runde.

Mit Blick auf den Export war das aber selbst für DDR-Verhältnisse zu dürftig. Anfang der sechziger Jahre schrieb man deshalb einen Ideenwettbewerb aus, aus dem der Brikettierer Hans-Jochen Hampel mit seinem nicht gerade einfallsreichen, aber absolut systemkonformen Vorschlag "Rekord" siegreich hervorging. Damit erhielten auch die ostdeutschen Briketts endlich den einenden Markennamen und Hampel eine Prämie von 500 Mark. 1961 wurde die Wort-Bild-Marke REKORD offiziell als Warenzeichen eingetragen. Da verschiedene Untersuchungen gezeigt hatten, dass sich die Marke im Osten nach dreißig Jahren fest etabliert hatte, wurde auch nach der Wende von einer Umbenennung abgesehen. Seit der Ende 2003 erfolgten Stilllegung der Brikettfabrik Deuben in Sachsen-Anhalt gibt es nur noch die REKORD-Briketts aus der Lausitz – wenn es sie gibt, denn einen solchen Mangel wie in diesem Herbst kannte man nicht mal zu DDR-Zeiten.