April 2023

230401

ENERGIE-CHRONIK


EU reformiert den Emissionshandel und schützt ihn vor Dumping

Das Europäische Parlament billigte am 18. April fünf neue Gesetze, mit denen die EU bis 2030 ihre Treibhausgasemissionen um mindestens 55 Prozent senken will, wie dies Artikel 4 des Europäischen Klimagesetzes vorschreibt, das im Juli 2021im EU-Amtsblatt veröffentlicht wurde und damit in Kraft trat (200303). Sie reformieren das Emissionshandelssystem durch Verknappung der Emissionsberechtigungen und erstmalige Einbeziehung auch der Schifffahrt. Zugleich sollen sie verhindern, dass die Produktion aus der EU in Staaten mit weniger strengen Klimaschutzvorschriften verlagert wird, weil dort ansässige Unternehmen einen Preisvorteil bekämen bzw. schon haben, der ihnen Dumping-Angebote ermöglicht.

Emissionsrechte müssen bis 2030 um 62 Prozent gegenüber 2005 gesenkt werden

Das Parlament nahm die Reform des Emissionshandelssystems (EHS) mit 413 zu 167 Stimmen bei 57 Enthaltungen an. Damit werden die Ziele des EHS noch ehrgeiziger, denn in den Wirtschaftszweigen, für die das System gilt, müssen die Emissionsrechte bis 2030 um 62 Prozent im Vergleich zu 2005 gesenkt werden. Außerdem wird die kostenlose Zuteilung von Zertifikaten von 2026 bis 2034 schrittweise eingestellt und ein eigenes neues EHS II für Kraftstoffe aus Straßenverkehr und Gebäuden geschaffen. Bis 2027 (oder 2028, wenn die Energiepreise außergewöhnlich hoch sein sollten) wird auch ein Preis für Treibhausgasemissionen aus diesen Bereichen festgelegt.

Erstmals wird auch die Schifffahrt einbezogen

Das Parlament stimmte auch dafür, erstmals Treibhausgasemissionen aus dem Seeverkehr im EHS zu berücksichtigen (mit 500 zu 131 Stimmen bei 11 Enthaltungen) und das Emissionshandelssystem für den Luftverkehr zu überarbeiten (mit 463 zu 117 Stimmen bei 64 Enthaltungen). Damit wird die kostenlose Zuteilung von Zertifikaten für den Luftverkehr bis 2026 schrittweise eingestellt, und der Einsatz nachhaltiger Flugkraftstoffe wird gefördert.

Wer in die EU importieren will, muss künftig CBAM-Zertifikate erwerben,

Mit 487 zu 81 Stimmen bei 75 Enthaltungen nahm das Parlament die Vorschriften über das neue CO2-Grenzausgleichssystem der EU an. Dieser "Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) soll den CO2-Preis importierter Waren an den Preis für CO2-Zertifkate angleichen, die europäische Firmen für ihre Produkte im Rahmen des EU-Emissionshandelssystems (ETS) erwerben müssen. Unternehmen, die in die EU importieren, werden verpflichtet, CBAM-Zertifikate zu erwerben, um die Differenz zwischen dem im Produktionsland gezahlten Kohlenstoffpreis und dem höheren Preis der Kohlenstoffzertifikate im EU-Emissionshandelssystem auszugleichen.

Grenzausgleich entfällt nur für Länder mit gleichen Klimazielen

Nur Länder, die die gleichen Klimaziele wie die EU verfolgen, werden in die EU exportieren können, ohne CBAM-Zertifikate zu kaufen. Die neuen Regeln sollen sicherstellen, dass die Klimaschutz-Bemühungen der EU und der Weltgemeinschaft nicht dadurch untergraben werden, dass die Produktion in EU-Mitgliedstaaten in Länder mit weniger ehrgeizigen Klimazielen verlagert wird. Das Gesetz soll zugleich Anreize für Nicht-EU-Länder schaffen, ihre Klimaambitionen zu erhöhen.

Übergangsfrist bis zum Wegfall aller kostenlos vergebenen CO2-Zertifikate

Das neue Gesetz wird das erste seiner Art sein. Obwohl es ein bißchen an die klassische Schutzzollpolitik erinnert, befindet es sich in vollem Einklang mit den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO), versichert die EU-Kommission. Es wird ab dem 1. Oktober 2023 gültig sein, allerdings mit einer Übergangsfrist, während der sich die Pflichten des Importeurs auf die Berichterstattung beschränken. Der Übergangszeitraum endet, sobald im Rahmen des EU-Emissionshandelssystems keine kostenlosen CO2-Zertifikate mehr vergeben werden.

Betroffen sind vor allem Eisen und Stahl, Zement, Aluminium, Düngemittel, Elektrizität und Wasserstoff

CBAM wird, wie von der Kommission vorgeschlagen, auf Eisen und Stahl, Zement, Aluminium, Düngemittel und Elektrizität angewendet sowie auf Wasserstoff. Unter bestimmten Bedingungen sind auch indirekte Emissionen einbezogen und bestimmte Vorprodukte sowie einige nachgelagerte Produkte wie Schrauben und ähnliche Artikel aus Eisen oder Stahl.

Vor Ablauf des Übergangszeitraums wird die Kommission prüfen, ob der Anwendungsbereich auf andere Güter ausgedehnt werden soll, einschließlich organischer Chemikalien und Polymere. Bis 2030 sollen alle Güter einbezogen werden, die unter den EU-Emissionshandel fallen. Die Kommission wird auch die Methode für das Erheben indirekter Emissionen überprüfen und die Möglichkeit, mehr nachgelagerte Produkte einzubeziehen.

Klima-Sozialfonds zur Eindämmung von Energiearmut

Die Einigung mit den Mitgliedstaaten, einen Klima-Sozialfonds einzurichten, der ab 2026 Gelder auszahlt, wurde mit 521 zu 75 Stimmen und 43 Enthaltungen angenommen. Dieser Fonds soll dafür sorgen, dass die Klimawende gerecht und sozial inklusiv gestaltet wird. Er kommt finanziell schwächeren Haushalten, Kleinstunternehmen und Verkehrsnutzern zugute, die besonders stark unter hohen Energie- und Verkehrspreisen leiden. Nach seiner vollständigen Einrichtung wird der Klima-Sozialfonds durch die Versteigerung von EHS-II-Zertifikaten finanziert, was bis zu 65 Mrd. EUR einbringen soll. Weitere 25 % des geschätzten Gesamtbudgets von 86,7 Mrd. EUR geben die Mitgliedstaaten.

Alle fünf Rechtsakte können nach Zustimmung durch den Rat in Kraft treten

Über die nun vom Parlament gebilligten fünf Rechtsakte war bereits am 13. Dezember 2022 eine vorläufige Einigung mit dem Rat erzielt worden. Dieser muss ihnen nun ebenfalls noch förmlich zustimmen. Anschließend werden sie im Amtsblatt der EU veröffentlicht, und 20 Tage später treten sie in Kraft. Im einzelnen betreffen sie die Überarbeitung des Emissionshandelssystems der EU (PDF), die Überwachung von Treibhausgasemissionen aus dem Seeverkehr (PDF), das CO2-Grenzausgleichssystem (PDF), den Klima-Sozialfonds (PDF) sowie die Überarbeitung des EU-Emissionshandelssystems für die Luftfahrt (PDF). 

 

Links (intern)

Zu "Green Deal", "fit for 55", Europäisches Klimagesetz

Zum Handel mit Emissionszertifikaten