Juli 2002

020701

ENERGIE-CHRONIK


E.ON darf Ruhrgas unter Auflagen übernehmen - Gericht stoppt Vollzug der Genehmigung

Das Bundeswirtschaftsministerium hat der E.ON AG am 5. Juli 2002 die beantragte Ministererlaubnis zur Übernahme der Ruhrgas AG (020201) erteilt. Die Erlaubnis wurde aber sogleich durch eine Gerichtsentscheidung in Frage gestellt, die erhebliche Verfahrensfehler des Ministeriums rügte und den Vollzug der Fusion vorerst stoppte.

Mit der Erteilung der Erlaubnis setzte sich das Bundeswirtschaftsministerium über den Einspruch des Bundeskartellamts (020103, 011208) und über das Votum der Monopolkommission (020503) hinweg. Die für die Erteilung einer Ministererlaubnis notwendigen Gemeinwohlvorteile sieht das Ministerium dadurch gegeben, daß die Fusion die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Ruhrgas sichere und die Versorgungssicherheit der Bundesrepublik beim Erdgas verbessere. Durch die derzeitige Aktionärsstruktur würde Ruhrgas in seiner Weiterentwicklung stark eingeschränkt. Die gesamtwirtschaftlichen Vorteile des Zusammenschlusses überwögen die vom Bundeskartellamt festgestellten Wettbewerbsbeschränkungen.

Oberlandesgericht sieht "gravierende Verfahrensfehler"

Auf Antrag der beiden Energiehändler Ampere AG (Berlin) und Trianel GmbH (Achen) hat das Oberlandesgericht Düsseldorf den Vollzug der Fusion vorerst gestoppt. Nach Ansicht des Gerichts ist die Genehmigung unter "gravierenden Verfahrensfehlern" zustande gekommen. So habe Staatssekretär Alfred Tacke, der anstelle von Bundeswirtschaftsminister Werner Müller die Entscheidung traf, nicht sämtlichen 45 Verfahrensbeteiligten angemessenes Gehör geschenkt. "Entscheidungserhebliche Erklärungen" von E.ON und Ruhrgas gegenüber Tacke seien den übrigen Verfahrensbeteiligten vorenthalten geblieben. Außerdem habe Tacke es versäumt, eine eventuelle Zuständigkeit der Europäischen Kommission zu prüfen. Da der E.ON-Konzern Anfang Juli das Übernahmeverfahren für die britische Powergen (010402) abgeschlossen hat, erzielt er nur noch die Hälfte seines Umsatzes im Inland. Die Fusion dürfte damit in die Zuständigkeit der Brüsseler Behörde fallen, obwohl dies EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti bisher nicht so gesehen hat (020503).

Mehrheitseigentümer setzt Ampere AG unter Druck

Für die Ampere AG hatte ihre Klage gegen die Ministererlaubnis ein Nachspiel: Laut "Berliner Zeitung" (18.7.) wurde der Vorstand des Unternehmens von den Stadtwerken Hannover als Mehrheitseigentümer aufgefordert, entweder seine Beschwerde gegen die Ministererlaubnis zurückzuziehen oder zurückzutreten. Den Hintergrund bildet, daß die Ruhrgas AG und die E.ON-Tochter Thüga mit jeweils zwölf Prozent an den Stadtwerken Hannover beteiligt sind (940210), die ihrerseits 75 Prozent des Berliner Energiehändlers besitzen  (011012). Ein Rückzug der Beschwerde würde allerdings wenig bewirken, da die Trianel GmbH, hinter der hauptsächlich die Stadtwerke Aachen stehen, ihren Einspruch ähnlich begründet hat.

E.ON muß sich von VNG und anderen Beteiligungen trennen

Um die gesamtwirtschaftlichen Vorteile zu sichern, die seiner Ansicht nach die Genehmigung der Fusion trotz des Einspruchs von Bundeskartellamt und Monopolkommission rechtfertigen, verband das Ministerium die Erlaubnis mit folgenden Auflagen:

Außerdem sind eine Reihe von Wettbewerbs-Auflagen zu erfüllen:

Wichtige Konkurrenten der E.ON äußerten nur verhaltene Kritik an der Ministererlaubnis, wie RWE, oder begrüßten sie sogar, wie Vattenfall. Sie rechnen sich offenbar Chancen aus, beim bevorstehenden Verkauf der E.ON-Beteiligungen an VNG, EWE, Gelsenwasser, swb und Bayerngas zum Zug zu kommen. So gilt RWE als Aspirant für Gelsenwasser. An Bayerngas ist vor allem die neue Allianz von EnBW und Eni interessiert, die sich eben erst die Gasversorgung Süddeutschland (GVS) gesichert hat (020601). Als mögliche Käufer der VNG-Anteile wurden neben dem schwedischen Vattenfall-Konzern die beiden Mineralölkonzerne Esso und Shell genannt, die sich als Miteigentümer der Ruhrgas auf dem deutschen Gasmarkt bisher passiv verhalten haben und diese Zurückhaltung nun vermutlich aufgeben werden. Auch Gaz de France verfolgt den nun beginnenden Umbruch auf dem deutschen Energiemarkt mit Aufmerksamkeit.

Aus dem Verkauf der Beteiligungen wird E.ON bis zu drei Milliarden Euro erlösen. Diese Summe nannte E.ON-Vorstandsmitglied Hans Michael Gaul gegenüber Analysten. Die Komplettübernahme von Ruhrgas werde E.ON 10,4 Milliarden Euro kosten.

Wingas kritisiert Auflagen als unzureichend

Die Wingas GmbH, die auf dem stark monopolisierten deutschen Gasmarkt der wichtigste Gegenspieler der Ruhrgas im Großhandelsbereich ist, kritisierte die Auflagen für E.ON als völlig unzureichend: Die Veräußerung der Anteile an VNG, EWE und Bayerngas löse nicht das eigentliche Problem, daß die Lieferkette bis hin zu den Stadtwerken und deren Endkunden geöffnet werden müsse.

Wie die Monopolkommission in ihrem Gutachten festgestellt hatte, besitzt die Ruhrgas auf der Großhandelsstufe einen Marktanteil von 88 Prozent. Mit Ausnahme von Wingas bildeten die anderen überregionalen Ferngasgesellschaften mit ihren historisch gewachsenen Leitungsnetzen "abgeschlossene eigene räumliche Märkte". Gemeint sind damit vor allem die VNG in Ostdeutschland, RWE Gas/Thyssengas in Nordrhein-Westfalen, die BEB in Niedersachsen und die GVS in Südwestdeutschland.

Wingas wurde 1993 als Gemeinschaftsunternehmen der BASF-Tochter Wintershall (65 Prozent) und der russischen Gazprom (35 Prozent) gegründet. Inzwischen verfügt Wingas über ein eigenes, nach strategischen Gesichtspunkten ausgebautes Ferngasnetz von mehr als 1900 Kilometern Länge (siehe Karte), das freilich vom Netz der Ruhrgas mit insgesamt 10.750 Kilometern Leitungslänge (siehe Karte) weit übertroffen wird. Vorausgegangen war der "Gaskrieg" zwischen Wintershall und Ruhrgas um die Preise für die Belieferung der ostdeutschen VNG (911004), der nur vorübergehend beigelegt wurde (920218) und im Januar 1994 ein weiteres Mal aufflammte (940107), bis sich die Kontrahenten auf einen langfristigen Liefervertrag einigten (940213).

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