September 2002

020912

ENERGIE-CHRONIK


RWE verabschiedet sich endgültig von Powerline

Der RWE-Konzern beendete im September seine Aktivitäten auf dem Gebiet der "Powerline"-Technologie zur Nutzung von Stromleitungen für hochwertige Datenübertragung. Gegenüber der "Financial Times Deutschland" (4.9.) begründete der Geschäftsführer der RWE Powerline GmbH, Carsten Knauer, den Rückzug mit mangelnden Kapazitäten in den Frequenzbereichen, die für die Übertragung benötigt würden, sowie mit technischen Problemen bei den Modulen der Schweizer Firma Ascom. Er bestritt, daß die Entscheidung aufgrund mangelnden Kundeninteresses erfolgt sei.

In den letzten Monaten hatte RWE sichtlich das Interesse an Powerline verloren und nach einem "strategischem Partner" auf diesem Gebiet gesucht (020517). Unter den Interessenten soll sich auch die Deutsche Telekom befunden haben, die dann aber abgewunken habe.

Die Schweizer Firma Ascom wies erneut den Vorwurf zurück, daß es technische Mängel bei ihrem Produkt gebe. Erst am 13. Juni 2002 habe Ascom einen Vertrag mit dem Moskauer Unternehmen Energomegasbit über die Lieferung von 20.000 Powerline-Anschlüssen unterzeichnet. Dieses erste russische Powerline-Projekt werde in der Stadt Zhelesnogorsk 400 Kilometer südlich von Moskau realisiert.

RWE war Vorreiter bei der Nutzung von Stromleitungen für Datenübertragung

RWE hatte bereits 1996 in Gelsenkirchen einen Modellversuch zur drahtlosen Überbrückung der "letzten Meile" zwischen Glasfasernetz und Haushalten gestartet, der die Technik des Schnurlos-Telefons nutzte (960318). Da sich dieser Weg als wenig erfolgversprechend erwies, begann RWE im folgenden Jahr mit Untersuchungen, wie weit sich das Stromnetz für Datenübertragungen nutzen läßt ( 970817). Ab 1998 interessierten sich mehrere deutsche Stromversorger für die Powerline-Technik, um ihren Kunden Telefon und Internet als zusätzliche Leistungen anbieten zu können  (980513). Im März 1999 stellte RWE in Zusammenarbeit mit Ascom eine Teststrecke in Leichlingen bei Düsseldorf vor (990331). Auf der Hannoveraner Elektronikmesse Cebit wetteiferten RWE, PreussenElektra und EnBW wiederholt mit ihren Projekten und trieben damit kurzfristig den Börsenkurs ihrer Aktien in die Höhe (000230). Im März 2000 trafen sich in der Schweiz 51 Firmen, Verbände und Forschungseinrichtungen aus 17 Ländern zur Gründung eines gemeinsamen Verbandes, der die Entwicklung und Vermarktung von Powerline-Kommunikation vorantreiben sollte (000421). Es gab allerdings auch zunehmend skeptische Stimmen (001218). Spätestens mit dem Rückzug von E.ON (011213) begann das Interesse der Stromversorger an Powerline abzuflauen., obwohl inzwischen mit der Nutzungsbestimmung 30 der Frequenzbereichszuweisungsplanungsverordnung (FreqBZPV) grundsätzlich die Verwendung von Stromleitungen für hochfrequente Datenübertragungen erlaubt worden war (010323).

Die RWE Powerline GmbH wurde am 1. Juli 2000 als hundertprozentige Tochter der RWE Plus AG gegründet, um den Internet-Zugang über das Stromnetz sowie ferngesteuerte Hausautomatisierung und Sicherheitstechnik zu entwickeln und zu vermarkten. Erste Powerline-Projekte starteten im Juli 2001 in den Städten Essen und Mülheim/Ruhr. Bis Ende 2004 wollte RWE zehn Prozent seiner Stromkunden für diese Technologie gewinnen.

MVV an 18 Projekten beteiligt - EnBW will sich auf Vernetzung innerhalb Gebäuden beschränken

Die Mannheimer MVV und die Energie Baden-Württemberg (EnBW) sind inzwischen die einzigen Stromversorger, die noch Powerline-Projekte betreiben. Die MVV sind nach ihren Angaben derzeit an 18 Projekten in Deutschland und Österreich beteiligt, darunter in Mannheim, Hameln, Solingen, Offenbach, Moers und Linz. Die EnBW bietet Powerline-Anschlüsse bisher nur in Ellwangen an. Sie will aber dieses Projekt nicht ausbauen, da es nicht hinreichend konkurrenzfähig sei, und die Technologie stattdessen zur Vernetzung und Datenübertragung innerhalb von Gebäuden anbieten (siehe auch 000817). Im August wurde das Hotel Steigenberger Graf Zeppelin in Stuttgart von der EnBW mit "EnPowerline Inhouse" ausgerüstet. Die Hotelgäste erhalten seitdem auf Wunsch an der Rezeption ein Modem, mit dem sich in sämtlichen 192 Zimmern des Hotels die Steckdosen als Internet-Zugang verwenden lassen.

Die MVV bezieht ihre Technologie von dem israelischen Unternehmen main.net (000333, 010219). Die EnBW verwendet die Geräte von Ascom, seitdem sich der Siemens-Konzern im März 2001 überraschend aus der Powerline-Technik zurückzog und die Kooperation mit der EnBW auf diesem Gebiet für beendet erklärte (010323).