Juni 2017 |
Hintergrund |
ENERGIE-CHRONIK |
Die insgesamt 6,285 Milliarden Euro, die der Bund während der sechsjährigen Geltungsdauer des Kernbrennstoffsteuergesetzes kassierte, muß er nun mit Zinsen den KKW-Betreibern zurückzahlen. Die ohnehin unzureichenden Einzahlungen der Atomkonzerne in den Entsorgungsfonds verringern sich dadurch faktisch von 23,5 auf 16,5 Milliarden Euro. |
Die Kernbrennstoffsteuer hat vor dem Bundesverfassungsgericht ebenfalls keinen Bestand
(zu 170601)
Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat jetzt die Kernbrennstoffsteuer für verfassungswidrig erklärt. Allerdings mit unterschiedlicher Begründung: Fünf der sieben Richter sehen den Sündenfall darin, daß die Bundesregierung willkürlich eine neue Steuer erfunden habe, die sich keiner der im Grundgesetz erwähnten Steuerarten zuordnen lasse. Zwei Richter halten das Gesetz deshalb für verfassungswidrig, weil es nicht mit der notwendigen Zustimmung des Bundesrats zustande gekommen ist.
Die schwarz-gelbe Koalition, die von 2009 bis 2013 regierte, bekommt damit zum zweiten Mal nachträglich bescheinigt, daß sie mit energiepolitischen Entscheidungen gegen die Verfassung verstieß. Erst vor einem halben Jahr hatten die Karlsruher Richter die Re-Revision des Atomgesetzes vom Sommer 2011 beanstandet und den Gesetzgeber bis 30. Juni 2018 zu Änderungen verpflichtet (161201). Sie monierten jene überflüssigen Zutaten, die dem Gesetz letztendlich nur deshalb eingefügt wurden, um den Eindruck einer reumütigen Rückkehr zur rot-grünen Ausstiegsregelung zu vermeiden (siehe Hintergrund Dezember 2016).
Noch unvergessen ist auch die höchstrichterliche Ohrfeige für das "Moratorium", mit dem Angela Merkel nach der Katastrophe von Fukushima die Abschaltung der sieben ältesten Kernkraftwerke durchsetzte (150201). Es gab für diesen Theaterdonner weder eine juristische Handhabe noch einen vernünftigen Grund. Er diente einzig der politischen Dramaturgie, mit der die schwarz-gelbe Koalition ihre Wandlung vom Atom-Saulus zum Energiewende-Paulus in Szene setzte. Verwaltungsrichter sind aber keine Theaterkritiker, sondern haben das Handeln der Exekutive nach rechtsstaatlichen Kriterien zu beurteilen (siehe Hintergrund Februar 2015).
Nun erweist sich also auch das Kernbrennstoffsteuergesetz als ein brüchiges Konstrukt, dessen Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz gleich in zweierlei Hinsicht fragwürdig ist. Die von der Mehrheit des Zweiten Senats vertretene Ansicht, der "einfache Gesetzgeber" sei gar nicht zur Erfindung einer solchen Steuer berechtigt gewesen, weil das Grundgesetz die zulässigen Steuer-Kategorien erschöpfend aufzähle, dürfte dabei das schwächere Argument sein. Tatsächlich läßt sich weder aus dem Buchstaben noch aus dem Geist des Grundgesetzes eine solche Beschränkung eindeutig herauslesen. Die in diesem Punkt bestehende Unklarheit wurde erst mit der jetzigen Auslegung durch das Bundesverfassungsgericht beseitigt, das sich damit wieder mal "rechtsschöpferisch" betätigt hat.
Gewichtiger wirkt das Minderheitsvotum der beiden Richter Peter M. Huber und Peter Müller, die das Gesetz deshalb für verfassungswidrig halten, weil es ohne die Zustimmung des Bundesrats zustande kam. Tatsächlich darf der Bund nicht einfach eine neue Steuer erfinden und beschließen, ohne zuvor mit den Bundesländern abzuklären, ob und wieweit ihm die Erträge aus dieser Steuer tatsächlich zustehen. Das bedeutet, daß die Ländervertretung in jedem Falle zustimmen muß. Diese Zustimmung lag aber nicht vor, weil das Kernbrennstoffsteuergesetz dem Bundesrat lediglich als sogenanntes Einspruchsgesetz zugeleitet wurde.
Mit juristischer Bauernschläue hatten die Gesetzesmacher diese Klippe zu umschiffen versucht, indem sie die Kernbrennstoffsteuer ausdrücklich als "Verbrauchssteuer" deklarierten. Nach Artikel 106 des Grundgesetzes stehen nämlich deren Erträge grundsätzlich dem Bund zu. Eine Verbrauchssteuer würde allerdings voraussetzen, daß die Steuer am Ende tatsächlich vom Verbraucher getragen wird. Das war hier von Anfang an umstritten. Die Bundesregierung argumentierte selber damit, daß die Steuer nur die zusätzlichen Gewinne mindere, die sich für die vier Konzerne aus der Verlängerung der KKW-Laufzeiten ergeben würden. Es werde den KKW-Betreibern gar nicht möglich sein, ihren Atomstrom zu anderen als marktüblichen Preisen abzusetzen. Es hätte sich also um eine verkappte Ertragssteuer gehandelt. Eine solche bedarf aber sowieso der Zustimmung der Länder. In jedem Fall überschritt der Bund seine verfassungsmäßigen Kompetenzen, wenn er ohne Zustimmung der Länder eine neue Steuer erfand, die in kein herkömmliches Schema paßte, und deren Erträge er von vornherein für sich beanspruchte.
Es wirkt nicht sehr überzeugend, wenn der Kanzleramtsminister Peter Altmaier nun sehr überrascht tut und gegenüber dem "Deutschlandfunk" behauptet, dieses Urteil sei "völlig unvorhersehbar" gewesen. Als Volljurist hätte er von Anfang an erkennen können, daß das ganze Gesetzgebungspaket verfassungswidrig war, mit dem die schwarz-gelbe Bundestagsmehrheit am 28. Oktober 2010 die Laufzeiten der deutschen Atomkraftwerke verlängerte. Altmaier war damals Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion. Es kann ihm deshalb auch nicht entgangen sein, daß ein anderer Jurist – nämlich der Linken-Fraktionsvorsitzende Gregor Gysi – in der Bundestagsdebatte genau den Knackpunkt ansprach, der in der Mißachtung der verfassungsmäßigen Rechte der Länder bestand:
"Sie planen ganz bewußt einen Verfassungsbruch ein, indem Sie den Bundesrat nicht beteiligen wollen. Sie planen den Verfassungsbruch nur deshalb ein, weil Sie wissen, dass Sie im Bundesrat keine Mehrheit haben. Das kann ein Bundesverfassungsgericht Ihnen nicht durchgehen lassen. Dann wird Ihre ganze Gesetzgebung wieder platzen."
Gysi täuschte sich nur insofern, als nicht die ganze Gesetzgebung platzte, sondern – als Spätzünder mit sieben Jahren Verzögerung – lediglich die Kernbrennstoffsteuer. Das lag daran, daß knapp ein halbes Jahr nach dieser Bundestagsdebatte etwas anderes platzte, nämlich die Reaktoren im japanischen Kernkraftwerk Fukushima. Die schwarz-gelbe Regierung von Angela Merkel vollzog daraufhin ihre bekannte atompolitische Kehrtwende. Die eben erst beschlossene Laufzeiten-Verlängerung für die 17 deutschen Reaktoren landete deshalb erst gar nicht vor dem Bundesverfassungsgericht, sondern wurde von ihren Urhebern selber wieder eingestampft.
Was jedoch in Kraft blieb, war die Kernbrennstoffsteuer. Faktisch war sie in enger Verbindung mit der Laufzeiten-Verlängerung eingeführt worden. Formal war sie aber mit der Laufzeiten-Verlängerung nicht verknüpft. Das unterschied sie von den "Förderbeitragen" für den neuen Energie- und Klimafonds, die den Atomkonzernen auf Grundlage eines mit dem Bundesfinanzministeriums geschlossenen Vertrags abverlangt wurden und die sie ausdrücklich mit allen Kosten verrechnen durften, die sich aus nicht abgesprochenen Belastungen der Kernenergie ergeben würden.
Als der Koalitionsausschuß von Union und FDP am 29. Mai 2011 über die atompolitische Kehrtwendung nach Fukushima beriet, hielt er es deshalb nicht für opportun, diese Steuer wieder abzuschaffen. Die Höhe der Erträge – die jetzt ohnehin geringer ausfallen würden – stand dabei sicher nicht im Vordergrund. Vielmehr ging es darum, der Opposition keine Angriffsflächen zu bieten. Als Bestandteil des Gesamtpakets zur Verlängerung der Laufzeiten für alle deutschen Atomkraftwerke war die Kernbrennstoffsteuer zwar nur mit den Stimmen der schwarz-gelben Koalition beschlossen worden (101002). Grundsätzlich hielten es aber alle Bundestagsparteien für eine löbliche Absicht, wenigstens einen Teil der Extra-Profite, welche die KKW-Betreiber nun einheimsen würden, über die Besteuerung der Brennelemente zurückzuholen (100704). Die Koalition wollte sich keinesfalls dem Vorwurf aussetzen, mit der Rücknahme der Kernbrennstoffsteuer schon wieder die Atomkonzerne zu begünstigen.
In dem Ende Mai 2011 verabschiedeten Koalitionspapier wurde die Kernbrennsstoffsteuer deshalb vorsichtshalber erst gar nicht problematisiert, sondern ihre Beibehaltung quasi beiläufig angekündigt, indem man ihre Erträge einem löblichen Zweck widmete: "Die Einnahmen aus der Brennelementesteuer dienen u.a. dem Zweck, die aus der notwendigen Sanierung der Schachtanlage Asse II entstehenden Haushaltsbelastungen zu reduzieren." (110501)
Den Verantwortlichen muß dabei bewußt gewesen sein, daß die KKW-Betreiber die Beibehaltung der Brennelemente-Steuer nicht hinnehmen und die Erfolgsaussichten ihrer Klagen sehr gut sein würden. Sie sind somit sehenden Auges das Risiko einer Rückzahlung der vereinnahmten Milliarden eingegangen, zuzüglich enormer Zinsen, von denen ein Sparer nur träumen kann.
Das ist keine bloße Vermutung, sondern ergibt sich aus dem schriftlich dokumentierten Kuhhandel, welcher der Laufzeiten-Verlängerung vorausging: In einer zunächst geheimen Vereinbarung vom 6. September 2010 hatten Bundesregierung und Atomkonzerne detailliert den Inhalt jenes Gesetzespakets zur Laufzeiten-Verlängerung festgelegt, das dann am 28. Oktober 2010 von der schwarz-gelben Mehrheit des Bundestags abgenickt wurde (100901). Jedem der 17 Reaktoren wurde darin eine exakt bemessene Erhöhung der Reststrommenge in Terawattstunden zugeteilt. Im Gegenzug verpflichteten sich die KKW-Betreiber zu genau festgelegten Förderbeiträgen für den Energie- und Klimafonds (siehe PDF).
Die Kernbrennstoffsteuer tauchte ebenfalls schon in diesem Papier auf, war aber nur indirekt Bestandteil der Vereinbarungen. Die Bundesregierung kündigte an, diese neue Abgabe "unabhängig von diesem Vertrag" einführen zu wollen. Die KKW-Betreiber erreichten aber zwei wichtige Zugeständnisse, die sich in den Paragraphen 3 und 12 des späteren Kernbrennstoffsteuergesetzes niederschlugen: Zum einen war das die Begrenzung der Steuer auf 145 Euro pro Gramm Brennstoff, zum anderen die Befristung des Gesetzes bis Ende 2016. Andernfalls wären die KKW-Betreiber berechtigt gewesen, ihre "Förderbeiträge" zum Energie- und Klimafonds um die zusätzlich entstehenden Kosten zu kürzen.
Außerdem akzeptierte die Bundesregierung, daß die KKW-Betreiber eventuell vor Gericht ziehen würden: Ihr sei bekannt – so hieß es in diesem Papier –
"daß EVUs und KKW-Betreibergesellschaften erhebliche Zweifel an rechtlicher Zulässigkeit der Erhebung einer Kernbrennstoffsteuer haben und daß sie sich nach ihrer Meinung, schon aus aktienrechtlichen Gründen, unabhängig von diesem Vertrag rechtliche Schritte gegen dieses Gesetz und die Erhebung der Steuer vorbehalten müssen".
Zusätzlich bekam die Bundesregierung von den Atomkonzernen eine ausführliche rechtliche Bewertung, in der unter anderem festgestellt wurde, daß die "Brennelementesteuer nicht unter verfassungsrechtlich verbürgte Steuerarten (Art. 106 GG) subsumierbar" sei und "Brennelemente nach BVerfG-Rechtsprechung kein tauglicher Gegenstand einer Verbrauchssteuer I.S.d. Art. 108 Abs. 1 Nr. 2 GG" seien.
Die Bundesregierung wußte also von dem Prozeßrisiko. Wenn sie es trotzdem hinnahm, lag das nicht an mangelnder Stichhaltigkeit der juristischen Bedenken, sondern an der Unwahrscheinlichkeit, daß die KKW-Betreiber tatsächlich prozessieren würden. Die Einstufung als "Verbrauchssteuer" war von Anfang an eine juristisch unhaltbare Fiktion. Es könnte sich deshalb sogar der Verdacht aufdrängen, daß beide Seiten den Konflikt in diesem Punkt absichtlich inszeniert haben, um spätere Regierungen erpreßbar zu machen, falls diese weniger Wohlwollen gegenüber der Atomlobby zeigen sollten.
Jedenfalls handelte es sich vorläufig nur um eine Drohgebärde: Die KKW-Betreiber wären schlecht beraten gewesen, eine Bundesregierung zu verklagen, die ihnen zu einer milliardenschweren Laufzeiten-Verlängerung verhalf und nur geringe Abstriche an den zusätzlichen Profiten verlangte. Ihre Drohung mit einer eventuellen Klage galt letztendlich auch gar nicht der schwarz-gelben Koalition. Sie zielte in erster Linie auf spätere Regierungen, falls diese es wagen sollten, die getroffenen Vereinbarungen wieder in Frage zu stellen. Schließlich standen schon im Herbst 2013 wieder Bundestagswahlen an.
Wegen der atompolitischen Wende der schwarz-gelben Koalition änderte sich dann die Geschäftsgrundlage viel schneller, radikaler und auf andere Weise, als vorhersehbar gewesen war. Die Atomkonzerne fühlten sich nun von ihren treuesten politischen Verbündeten plötzlich im Stich gelassen. – Grund genug für sie, nun ihrerseits keine Rücksicht mehr zu nehmen, sondern alle Register zu ziehen, um die längst bekannten und sogar vorsätzlich eingebauten Schwachstellen des Gesetzespakets für Schadenersatzklagen zu nutzen.
Als erster Konzern gab RWE seine Zurückhaltung auf und klagte durch alle Instanzen der Verwaltungsgerichtsbarkeit erfolgreich gegen das "Moratorium" (140110, 151214). Es folgten die Klagen gegen die Re-Revision des Atomgesetzes, denen das Bundesverfassungsgericht Ende 2016 zumindest teilweise stattgab (161210). Im Sommer 2011 klagten RWE und E.ON (110607) sowie die EnBW (110704) dann auch gegen die Brennelementesteuer. Im April 2014 verpflichtete das Finanzgericht Hamburg die Hauptzollämter zur Rückzahlung von insgesamt 2,2 Milliarden Euro an E.ON und RWE, weil das Kernbrennstoffgesetz keine Verbrauchssteuer und verfassungswidrig sei (140405). Es kam aber noch nicht zur Rückzahlung, da die höchstinstanzliche Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts noch ausstand und der Bundesfinanzhof die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils aufhob (141213) .
Zwischendurch, im Juni 2015, stellte bereits der Europäische Gerichtshof fest, daß die Kernbrennstoffsteuer keine Verbrauchsteuer sei. Für die Vereinbarkeit mit dem EU-Recht spielte das allerdings keine Rolle. Entscheidend war die Feststellung, daß es sich um keine staatliche Beihilfe handele. Die Luxemburger Richter konnten das Gesetz deshalb nicht beanstanden (150603). Ganz andere Bedeutung hatte derselbe Befund indessen für die Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz, weshalb das Gesetz jetzt vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärt wurde.
Die Verantwortung für die erfolgreichen Schadenersatzklagen der KKW-Betreiber trägt nicht nur Angela Merkels schwarz-gelbe Bundesregierung. Ihr folgendes Kabinett der Großen Koalition, das bis heute regiert, ist ebenfalls schuld daran, wenn dem Steuerzahler nun schätzungsweise sieben Milliarden Euro abverlangt werden. Es wäre der Großen Koalition durchaus möglich gewesen, bei den Verhandlungen über das "Gesetz zur Neuordnung der Verantwortung in der kerntechnischen Entsorgung" (161005) den Atomkonzernen entweder den Verzicht auf alle Entschädigungsansprüche oder eine entsprechend höhere Einzahlung in den Entsorgungsfonds abzuverlangen. Dies wurde aber mit voller Absicht unterlassen. Die schwarz-rote Koalition begnügte sich mit der eher symbolischen Rücknahme von zwanzig Klagen, die nach damaligen Angaben insgesamt etwa ein Zehntel aller Entschädigungsansprüche ausmachten (161204), tatsächlich aber noch bedeutungsloser waren (170602).
So wurden die Atomkonzerne für nur 23,5 Milliarden Euro von ihren Entsorgungsverpflichtungen befreit – eine Summe, die ohnehin niemals ausreichen wird, um die künftig vom Staat zu tragenden Entsorgungsverpflichtungen zu finanzieren. Als der Bundestag Ende 2016 die Neuregelung der Atomhaftung beschloß (161202), durften die KKW-Betreiber von dieser Summe schon mal die sieben Milliarden Euro abziehen, die ihnen die Klagen gegen die Brennelemente-Steuer einbringen würden.
Genau genommen war der Rabatt, der die Einzahlungen der Atomkonzerne in den Entsorgungsfonds faktisch um sieben Milliarden auf 16,5 Milliarden Euro verringerte, von Anfang an eingeplant. Als die Bundesregierung im Oktober 2015 die "Kommission zur Überprüfung der Finanzierung des Kernenergieausstiegs" einsetzte (151003), die dann im April 2016 ihre Vorschläge vorlegte (160402), geschah dies mit der ausdrücklichen Auflage, die vor dem Bundesverfassungsgericht anhängige Klage gegen die Kernbrennstoffsteuer nicht zum Verhandlungsgegenstand zu machen. Die diesbezügliche Anweisung kam schon bei einer der ersten Sitzungen direkt aus dem Kanzleramt. Dies bekundete jetzt der Kommissionsvorsitzende Jürgen Trittin gegenüber dem Fernsehmagazin "Monitor" (15.6.).
Es kommt aber noch dicker: RWE, E.ON und Vattenfall können zusätzlich jene Ansprüche in bares Geld verwandeln, die sich aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Dezember 2016 ergeben, das die schwarz-gelben Zutaten zum Atomausstieg für entschädigungspflichtig erklärte (161201). Diese sind nämlich nicht Bestandteil ihres öffentlich-rechtlichen Vertrags mit der Bundesregierung, der am 26. Juni unterzeichnet wurde und in dem sie die nunmehr garantierte Abwälzung der Entsorgungslasten auf den Staat mit der äußerst bescheidenen Gegenleistung eines Verzicht auf zwanzig Klagen honorieren, die sowieso größtenteils obsolet geworden sind (170602). Konkrete Schadenersatzforderungen sind bisher nicht bekannt. Vermutlich wollen die Konzerne erst mal die Gesetzesänderungen abwarten, die aufgrund des Urteils bis 30. Juni 2018 erfolgen müssen.
Unabhängig davon hält der schwedische Vattenfall-Konzern die Klage aufrecht, die er vor dem Schiedsgericht bei der Weltbank in Washington (ICSID) erhoben hat (141001). Vattenfall verlangt von der Bundesregierung 4,7 Milliarden Euro zuzüglich Zinsen an Schadenersatz, weil durch die im Juni 2011 beschlossene Änderung des Atomgesetzes die sofortige Stillegung seiner Kernkraftwerke Brunsbüttel und Krümmel verfügt wurde (siehe 110601 und Hintergrund, Oktober 2016).
Insgesamt bekommen so die Atomkonzerne voraussichtlich den größeren Teil ihrer ohnehin unzureichenden Einzahlungen in den Entsorgungsfonds wieder zurück. Die beiden Merkel-Regierungen stehen dann ähnlich da wie der "Hans im Glück", der sich einen Klumpen Gold sukzessive gegen minderwertige Güter abschwatzen ließ. Trotz einer unglaublichen Fülle an juristischer Ignoranz und Fahrlässigkeit wird man ihnen aber – das unterscheidet sie von der Märchenfigur – kaum die eigene Dämlichkeit zugute halten können. Wie diese Darstellung zeigt, spielte vorsätzliches Handeln zum Nachteil des Steuerzahlers und zur Begünstigung der Atomkonzerne eine ganz wesentliche Rolle.