Oktober 2022

221005

ENERGIE-CHRONIK


Experten-Kommission schlägt zweistufige "Gaspreisbremse" vor

Die von der Bundesregierung am 23. September eingesetzte Experten-Kommission "Gas und Wärme" hat am 10. Oktober einen Zwischenbericht vorgelegt, in dem sie Vorschläge zur Ausgestaltung der "Gaspreisbremse" macht, die von der Regierung am 29. September in zunächst nur sehr vager Form angekündigt wurde (220904). Kernpunkte des Vorschlags sind eine einmalige Entlastung im Dezember und die anschließende Preisdeckelung eines Grundverbrauchs an Gas und Fernwärme, die ab März 2023 in Kraft treten und mindestens bis Ende April 2024 dauern soll. Wieweit die Bundesregierung diesen Vorschlag aufgreift und umsetzt, wird sich am 18. November herausstellen, wenn sie über eine "einheitliche Umsetzung von Gas- und Strompreisbremse" entscheiden und dabei auch die Vorschläge der EU-Kommission zu diesem Thema berücksichtigen will.

Staat übernimmt Dezember-Abschlagszahlung für Gas und Fernwärme komplett

Die einmalige Entlastung ist als "als finanzielle Brücke bis zur regulären Einführung der Gaspreisbremse" gedacht. Sie soll so erfolgen, dass die Versorger im Dezember auf die jeweils fälligen Abschlagszahlungen der Kunden ganz verzichten und diese dafür von einer staatlichen Stelle erstattet bekommen. Der Staat übernimmt dabei nicht nur die Abschläge aller Fernwärme- und Gaskunden mit Standardlastprofil (SLP), sondern – mit Ausnahme der Industrie – auch die aller Gaskunden mit Registrierender Leistungsmessung (RLM).

Ab Frühjahr werden 80 Prozent des individuellen Gas- und Fernwärmeverbrauchs stark subventioniert

Die ab März greifende Gaspreisbremse sähe dann für Haushalte und andere SLP-Kunden so aus, dass diese ein subventioniertes Grundkontingent an Gas und Fernwärme beanspruchen können. Die Höhe dieses Grundkontingents beträgt jeweils 80 Prozent jenes Verbrauchs, der im September 2022 der Abschlagszahlung zugrundegelegt wurde. Soweit sich der Verbrauch im Rahmen dieses individuellen Limits bewegt, kostet er für Gas 12 Cent pro Kilowattstunde und für Fernwärme 9,5 Cent. Wenn er das Limit übersteigt, wird er nicht subventioniert und vom Versorger zum ungeschmälerten Marktpreis berechnet (der beim Gas derzeit ungefähr dreimal höher ist). Damit soll ein Anreiz zur Minderung des Energieverbrauchs gesetzt werden.

Mieter und Wohnungseigentümer werden über die Nebenkostenabrechnung entlastet

Bei Mietshäusern und Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG), die zentral beheizt werden, gibt es häufig keine direkte Vertragsbeziehung zwischen Versorger und Bewohnern. Stattdessen ist jeweils der Vermieter oder die Verwaltung der Vertragspartner. Der Versorger kennt dann lediglich den Verbrauch des Gesamtgebäudes. In solchen Fällen wird im Dezember 2022 die einmalige Entlastung dem Betriebskostenkonto des Mieters bzw. des Wohnungseigentümers als Einmalzahlung gutgeschrieben. Der Vermieter bzw. der Verwalter haben die Betroffenen darüber rechtzeitig zu informieren.

Kommission sieht selber Nachbesserungsbedarf

Allerdings berücksichtigt das nun vorgeschlagene Preismodell nicht die sehr unterschiedliche finanzielle Leistungskraft der Gas- und Wärmekunden, weshalb der Einsparzwang einkommensschwache Haushalte viel stärker trifft als vermögende. Hinzu muss der erhaltene Rabatt bei der Einkommenssteuererklärung als geldwerter Vorteil an gegeben werden. Es wäre deshalb zumindest ein hoher steuerlicher Freibetrag nötig, um die soziale Schieflage gegenüber finanziell potenten Gasverbrauchern etwas auszugleichen. Auch sonst sieht die Kommission selber noch einigen Bedarf an Härtefallregelungen und flankierenden Maßnahmen. Sozial differenzierte Direktzahlungen seien ein "grundsätzlich guter Mechanismus", derzeit aber nicht möglich, weil es an einer entsprechenden staatlichen Infrastruktur fehle. Die gesetzlichen Grundlagen sollten daher so schnell wie möglich geschaffen und in die Praxis umgesetzt werden.

Industrie bekommt Grundkontingent von 70 Prozent für 7 Cent pro Kilowattstunde

Für industrielle Verbraucher bzw. RLM-Kunden schlägt die Kommission im Regelfall ein Grundkontingent von 70 Prozent des Jahresverbrauchs 2021 vor, das auf 7 Cent pro Kilowattstunde heruntersubventioniert wird. Diese stark verbilligte Gasmenge könnte das anspruchsberechtigte Unternehmen aber auch "am Markt verwerten", sofern damit eine "Transformationsperspektive" und der "Standorterhalt" verbunden ist. Der Anspruch könnte also übertragen und gehandelt werden. Damit will man die Substituierung von Gas dort erleichtern, wo dies ohne größere Nachteile möglich ist.

Für Neukunden ist Gas siebenmal teurerer als vor einem Jahr

Wie die Kommission in ihrem Zwischenbericht feststellt, wurden im Jahr 2021 in Deutschland rund 1.000 Terawattstunden Erdgas verbraucht. Davon entfielen auf private Haushalte und kleinere Gewerbekunden 40 Prozent, auf große Industriekunden und Gasverstromung 60 Prozent. Die Großhandelspreise bewegten sich inzwischen auf einem historisch einmalig hohen Niveau und seien ein zentraler Grund für die steigende Inflation. Eine Kilowattstunde Gas kostet im Mittel derzeit 28,3 Cent für Neukunden. Vor einem Jahr um diese Zeit lag der Preis für Neukunden bei 6,8 ct pro Kilowattstunde. Private Verbraucher und Unternehmen müssen weiter mit deutlich steigenden Gas- und Fernwärmepreisen rechnen.

 

Links (intern)